La Rondine zum WEinen schön, so herzerweichend sind Jonathan Tetelman und Angel blue als Met-Paar

21. April 2024

Rubrik Oper

©Karen Almond / Met Opera New York

Puccini hatte unter all seinen beliebten Opernwerken viele Hits, doch "La Rondine" gehörte scheinbar nicht dazu. Wie auch, wenn packende Dramen um Mord, Totschlag, verschmähte Liebe, Eifersucht, Leidenschaft, Hass und Gier alle spannungsintensiven Register negativer Gefühlswelten ziehen können und noch dazu mit überaus ekstatischen Höhepunkten gespickt sind.

 

Ganz ehrlich: La Rondine bietet all diese dramaturgischen Facetten nicht. Fast banal könnte man die Handlung bezeichnen, wären da nicht zwei Bühnendarsteller, die an diesem filmreifen Abend an der Met und in den Kinosälen weltweit für Furore sorgen: Jonathan Tetelman und Angel Blue.

 

Von Nicole Hacke

 

In den glamourösen goldenen 20er Jahren verhaftet, sticht bereits das Bühnenbild positiv ins Auge. Herrliche Kostüme, Flapper Dresses und elegante Damen, die sich in einem hochherrschaftlichen Salon der Kurtisane Magda vergnügen.

 

Das Leben ist zu kurz, um es nicht anständig und ausgiebig gelebt zu haben. Operettenhafte Anklänge, zartschwingende Melodien, süffige Arien.

 

Sofort bemerkt das geschulte Gehör, dass dies keine typische Puccini-Oper, sondern ein seltenes Exemplar arioser Andersartigkeit ist, dass in Zwittergestalt daherkommt. 

 

Oper und Operette vermengen sich zu einer musikalischen Melange, die wahrhaft offenlässt, was sie genretechnisch gerne sein will.

 

Oder will sie einfach nur unterhalten und die höchsten aller romantischen Gefühle in das Auditorium transportieren?

 

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

Tatsächlich gelingt genau das von der ersten Sekunde an.  Ob nun Magda selbst, ihr Dienstmädchen Lisette oder der verträumte Dichter Prunier, alle erheben sie das Werk Puccinis auf Wolke 7 , auf der schlussendlich auch das Publikum zu schweben vermag, spätestens nach den ersten drei Arien.

 

Und dabei geht es doch nur um eine ganz banale Liebesgeschichte, die nicht sein darf, weil Magda sich für Geld anderen Männern hingegeben hat und nicht als ehrbare Jungfrau die Ehe mit dem idealistischen und sehr ehrbaren Ruggero eingehen kann.

 

Schließlich wissen wir um die Konventionen der Gesellschaft vor mehr als 100 Jahren. Zu spaßen war da mit ungezügelter Lust und fehlgeschlagener Sittsamkeit nicht wirklich.

 

Doch was die Interpretation der Geschichte so rührend, so berührend und emotional ergreifend macht, sind allen voran Angel Blue und Jonathan Tetelman, die sich als verliebtes Paar in aufrichtigen Gefühlen zueinander bekennen und Hals über Kopf ineinander verlieren.

 

Das ist fast zu schön, um wahr zu sein. Klingen tut es wie ein Märchen. Und genau das ist es auch, wenn Angel Blue gleich im ersten Akt dem Poeten Prunier bei seinem unvollendeten Gedicht zu einem rührenden Ende verhilft.

 

Mit warmherziger Stimme, brillantklaren Höhen und einer beseelten Aura, die einen so gnadenlos in den Bann ziehen, einen so dermaßen anfassen, dass man dem inneren Druck heraufquellender Tränen nachgeben muss, singt sich die US-amerikanische Sopranistin widerstandslos in die Herzen ihrer Zuhörer.

 

Ob in der angenehm timbrierten Mittellage, die leicht warmhölzerne Nuancen aufzeigt oder gar in den exponierten, freien Höhen, die strömen, strahlen und einen so herzerwärmenden Schöngesang produzieren, dass man "Halleluja" vor sich hin seufzen möchte, erlebt man Angel Blues emotionale Temperaturen immer mehr aufblühen.

 

Schier geblendet ist man von so viel Verve, dass einem dabei so richtig das Herz aufgeht.

 

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

Ihr kindlicher Übermut, diese überbordende Freude, das Strahlen im Gesicht, wenn Magda auf der Bildfläche des Pariser Cafés erscheint, inkognito und in ein einfaches Blümchenkleid gesteckt, das gediegen wirkt und die Kurtisane wie ein unschuldiges Mädchen erscheinen lässt, rührt zutiefst.

 

Großartig und absolut kinoreif ist auch der Moment, indem sich die Blicke von Ruggero (Jonathan Tetelman) und Magda (Angel Blue) wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen. 

 

Dieser Moment könnte episch sein. In jedem Fall ist er authentisch, wirkt intim und gefühlt, nicht einfach nur gespielt. Die Chemie, obgleich ich es in Kritiken anders vernommen habe, stimmt zwischen den Protagonisten. Da liegt Romantik in der Luft.

 

Da ist ein warmes Gefühl zwischen den Zeilen, anfänglich noch verborgen, dann zögerlich aufkeimend, aber immer stärker, fordernder und intensiver werdend, bis das sich die zarte Liebe wie hell-leuchtende Sonnenstrahlen durch das Geäst der Leidenschaft ihren Weg in das Glück kämpft.

 

Jonathan Tetelman, der sein Hausdebüt mit "La Rondine" an der Met feiert, schafft es, trotz Allergie, einen innigen Ruggero zu präsentieren, der alle facettenreichen Register seines lyrischen Tenors bedienen kann. Und wie er das kann. 

 

Mal stentoral leidenschaftlich, zumeist lyrisch verklärt und mit feinstem Schöngesang versehen, kann man an diesem Abend sogar darüber staunen, wie geballt intensiv seine hauchzarten Pianissimi klingen.

 

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

Wie Tetelman diese Töne wiegt, nicht in den Schlaf hinein, aber dennoch so zärtlich wie im Umgang mit einem ruhenden Kind.

 

Seine balsamischen Töne finden insbesondere in der Sanftheit und der leisen Intensität vollkommenen Ausdruck und treffen letztendlich mit ausgesprochener Bestimmtheit mitten ins Herz. 

 

Schauspielerisch nimmt man Tetelman jede Gefühlsregung, jeden verliebten Blick und auch am Ende seine abgrundtiefe Verzweiflung ab. Dieser Mann leidet furchtbar. Und das ist, ob des dramatischen Effekts auch furchtbar schön.

 

Und da es in "La Rondine" nicht nur dramatische Höhepunkte geben kann, sondern auch leichte, duftige und lebenswerte Momente, kann man sich ebenfalls ausgiebig und mit großer Lust in den Stimmen von Emily Pogorelc (Lisette) und Bekhzod Davronov verlieren. 

 

So herrlich ist beider Stimmen Schöngesang.

 

Ganz sicher ist man sich zuweilen nicht, welcher Tenor eigentlich die blumigere "Puccini-Stimme" hat, denn der verträumte Dichter Prunier (Bekhzod Davronov) produziert mit seiner Tenorstimme eine klangvolle und facettenreiche Tonperle nach der anderen. Herrlich!

 

Genauso intensiv nimmt man das Vokalinstrument der kecken Lisette wahr. Koloratursicher und mit biegsamem Elan schwingt sich ihr duftig leichter Sopran ganz flott in die schimmerndsten Obertöne.

 

Beschwingt und fast schwebend fliegen die Töne einer nach dem anderen in den Orbit des Auditoriums, brilliantklar, strahlend, lebendig und so außerordentlich erfrischend.

 

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

©Karen Almond / Met Opera New York

Bleibt nur noch das Dirigat von Speranza Scappucci, die mit ausufernden Handbewegungen, einen differenziert dynamisch angelegten Klangteppich produziert. Orchestral saturiert und fast schon süffig, lädt diese Interpretation zum Träumen und Schwelgen ein, auch wenn das Ende das Aus einer großen Liebe bedeutet.


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