Glücksschmiede Musik und warum Singen glücklich macht!

16. Januar 2023

Feuilleton

©Nicole Hacke / Operaversum

Unser eigenes Glück, so wird uns immer wieder von Weisheitsgurus und Gesundheitsexperten suggeriert, können wir nicht durch äußere Faktoren beeinflussen. Glück ist nichts Extrinsisches, nichts, das durch Geld, Status oder Macht angereichert oder gar bereichert wird.

 

Deshalb ist ein jeder Mensch, wie bereits das Sprichwort besagt, seines eigenen Glückes Schmied.

 

Das Glück ist demnach etwas Selbstgemachtes, etwas Selbsterzeugtes und nicht etwa ein materielles Wohlstandsglück, das auf der Lauer liegt und gierig darauf wartet, von unserer übersättigten Gesellschaft jederzeit im Tausch gegen Geld verkonsumiert zu werden.

 

Nein, das bescheidene Glück - selbstlos und uneigennützig - ist etwas ureigen Intrinsisches, das man nur aus sich selbst schöpfen kann.

 

Und das klingt im ersten Moment wie ein unerreichbares Ziel. Denn wie erzeuge ich mein höchst individuelles, grundlegend nachhaltiges Glück aus mir selbst heraus?

 

Musikern wird nachgesagt, sie lebten im Schnitt deutlich länger und vor allem glücklicher als der Durchschnittsbürger, der sich professionell kaum oder wenig mit Musik befasst.

 

Fakt ist, Musik beeinflusst unsere Gefühlswelt auf das Massivste, denn Letztere hat, je nach Beschaffenheit, große Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir als Mensch durchs Leben gehen: Glücklich und zufrieden oder unglücklich und sinnentleert!

 

Am nächsten kommen wir unserem Glück, wenn wir unsere eigenen Gefühle verstehen und sie vor allen Dingen artikulieren können.

 

Das fällt uns Menschen in einer tendenziell kalten, emotional einsilbig gewordenen Welt der kollektiven Zwänge oftmals enorm schwer, insbesondere, wenn wir versuchen, Worte für etwas zu finden, das uns im tiefsten unserer Seele berührt hat, ohne dabei Gefahr zu laufen, uns bei unserem Gegenüber lächerlich zu machen.

 

Nichts ist so schwer wie die Wortfindung, um unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, die so  mannigfaltig, multifacettiert und nahezu unbeschreiblich sein können, da sie immer auch einer ganz individuellen, einzigartigen Wahrnehmung zugrunde liegen. Und die ist nun mal sprachlos.

 

©Nicole Hacke / Operaversum

Wie also wird aus der emotionalen Sprachlosigkeit ein emotionaler Ausdruck? Und was hat das nun mit dem Glück und der Musik gemein?

 

Jeder Mensch braucht ein Ventil, um den Dingen, die ihm auf der Seele liegen, ob gut oder schlecht, Luft zu machen.

 

So eine Karthasis ist gesund für das geistige und körperliche Wohl des Menschen. Und da Musik aufgrund ihrer gefühlsbetonten Klänge vielleicht, wenn nicht sogar das eindeutigste Ausdrucksmittel menschlicher Emotionen ist, kann sie dem Faktor Glück ganz gewaltig auf die Sprünge helfen.

 

Denn Glück ist, simpel gesagt, die Möglichkeit des Auslebens der eigenen Gefühle, indem man ihnen Expressivität und ein Sprachrohr mit einer eindeutigen Übersetzungsfunktion verleiht: Und das alles kann die Musik als Vermittler zwischen der Seele und dem gesprochenen Wort unmissverständlich leisten!

 

Sie überschreitet zudem Ländergrenzen und ist so universell einsetzbar - jederzeit, jederorts, für jedermann - obgleich sie als immateriell tönendes Lüftchen immer wieder aufs Neue der Vergänglichkeit anheimfällt.

 

Nichtsdestotrotz ist die klingende Kraft, die von ihr ausgeht, so unvorstellbar heilsam und balsamisch, dass man die Musik bedenkenlos auch als Glücksdroge bezeichnen darf.

 

Eine Glücksdroge, die abhängig und süchtig macht und uns zudem regelmäßig in einen höchst erfreulichen Rauschzustand der Endorphine katapultiert, ganz legal und völlig rezeptfrei.

 

Doch den noch unmittelbareren Draht zum eigenen Seelenleben gibt es für diejenigen welche, die sich regelmäßig und vor allem von Berufs wegen in der hohen Kunst des Musizierens und des Gesanges im Speziellen üben.

 

Singen macht wirklich glücklich, berauscht, befreit, belebt, enerviert und fördert all die Gefühle an die Oberfläche, von denen man nicht für möglich gehalten hätte, dass sie dort jemals hörbar würden.

 

©Nicole Hacke / Operaversum

Im eigenen Gesang liegt die schnellste Verbindung zur Persönlichkeit und die Wurzel tiefliegendster Empfindungen, wenn man sich denn traut, dass Ventil seiner Seele über die Stimme für sich selbst und andere zu öffnen.

 

Mehr oder minder einfach ist es, seine Gefühle durch das Singen zu verdeutlichen, zu verstärken und sie auch in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, die immer auch der augenblicklichen Gemütsverfassung zugutekommen kann.

 

Wer beispielsweise mit dem linken Fuß aus dem Bett steigt, seine Felle wegschwimmen sieht, weil der Tag irgendwie schon schlecht anfängt, der kann mit ein paar heiter geträllerten Tönen bereits sein Stimmungstief in ein Stimmungshoch umwandeln und wieder etwas mehr Leichtigkeit in seinen ansonsten schwerfälligen Alltag bringen.

 

Das mag wie Zauberei klingen. Harte Arbeit an der Stimmbildung, Stimmentwicklung und an der eigenen Persönlichkeit ist es allemal. Und auch neurologisch betrachtet passieren beim „Musikhören und Musikmachen“ in der Hirnaktivität einschneidende Umwälzungsaktivitäten:

 

Vier Affektsysteme, zu denen das Unterbewusstsein, das Spaß-, Schmacht- und Schmerz-System sowie das Glückssystem und das Vitalisierungssystem zählen, die bildlich auch als Quellen von Emotionen bezeichnet werden, können durch das Hören von Musik und das eigentliche Musizieren eine so starke Beeinflussung erfahren, dass sich durch sie automatisch selbstheilende und glücksfördernde Prozesse in Gang setzen.

 

Wer beispielsweise unter Angststörungen oder Depressionen leidet, kann die Ausprägung dieser Krankheitsbilder durch intensives Musikerleben mildern und lt. wissenschaftlicher Studien sogar deutlich verbessern.

 

Musik heilt und kommt sogar in angewandter Selbsttherapie bei manch einem Sänger zum Einsatz. Traumata, belastende Erfahrungen, Erlebnisse und Sorgen kann man sich im wahrsten Wortsinn praktisch von der Seele singen und somit seinen Ballast ganz behutsam peu à peu abwerfen.

 

Denn gerade die intensive Auseinandersetzung mit der Singstimme verlangt, sich allen Gefühlen - ob positiv oder negativ - zu stellen, zu öffnen, sie auszuleben, sie über den Gesang ins Publikum zu transportieren und sie ebenso glaubwürdig in einer Opernaufführung authentisch mit der Charakterrolle zu verknüpfen.  

 

©Nicole Hacke / Operaversum

Nackig bis auf Herz und Seele muss man sich beim Singen schon machen, wenn man sich und seine Gefühle verstehen und sie zudem noch ausleben will. Denn nur so kann man sich dann, frei von allem negativen Seelenmüll, uneingeschränkt für das Glück öffnen.

 

Ein Multiplikator für des Sängers Glück ist allerdings nicht der morgendliche Duschgang im Alleingang und das damit rituell zelebrierte "Tonleiter-Rauf-und-Runter-Geträllere" unter dem geräuschunterdrückenden Brausestrahl.

 

Was ich damit sagen will?

 

Ein Sänger braucht auch immer eine emotionale Schnittmenge, die er logischerweise ausschließlich auf der Bühne über die Resonanz der vielen Hundert Seelen im Publikum herstellen kann.

 

Wie soll ein singender Mensch auf der Bühne ansonsten wissen, ob seine Gefühle Akzeptanz und vor allem Resonanz erfahren. Ohne das Publikum würde die emotionale Konstitution des Sängers ungehört und ungefühlt und vor allem unerwidert im Auditorium verpuffen.

 

Ein Sänger braucht, genauso wie die Luft zum Atmen, die Resonanz seines Publikums, denn er möchte im Idealfall, dass seine Empfindungen erwidert und bestenfalls gespiegelt werden.

 

©Nicole Hacke / Operaversum

Und ganz ehrlich: Wollen wir nicht etwa alle mit unseren Empfindungen eine Welle des harmonischen Einklangs erzeugen?

 

Wir wollen verstanden werden – und zwar so wie wir sind mit unserer höchst individuell emotional ausgeprägten DNA!

 

Somit hat, wer singt, die wohl aufrichtigste Chance, Menschen direkt und ohne große Umwege tief in ihrer Seele zu berühren und sie zudem nicht nur gesanglich, sondern auch auf der Gefühlsebene zu erreichen und sie dort ganz und gar für sich zu vereinnahmen.

 

Wer diese Verbindung zum Publikum herstellen kann und es schafft, mit seinem beseelten Gesang eine zwischenmenschliche Brücke voller Freude und Glückseligkeit zu schlagen, der muss wahrhaft der glücklichste Mensch, Pardon Sänger, auf Erden sein!

 


©Till Kind / ZDF Dokumentation Die Oper - das knallharte Geschäft

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©Julian Hargreaves / Anna Netrebko und Yusif Eyvazov

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