was mich umtreibt, über musik zu schreiben

15. OKTOBER 2020

©Nicole Hacke

Worte sind wie Musik, nur ohne Ton! Das denke ich ganz oft, wenn ich den Stift ansetze und ein paar Gedanken zu Papier bringe, um sie in Worte grob zu skizzieren. Die Feinarbeit, der Feinschliff vielmehr dauert meistens etwas länger. Aus einem Rohdiamanten wird schließlich auch nicht auf der Stelle ein Brillant.


Doch wenn Worte erst mal eine Strahlkraft entwickeln, weil sie mitten ins Herz treffen, weil sie die Seele berühren, weil sie etwas in uns auslösen, das mehr Macht besitzt als alle Regierungspräsidenten dieser Welt, dann können Worte tatsächlich wie Musik unsere Empfindungen beeinflussen und etwas in uns auslösen, das ähnlich groß und wunderbar ist wie die Musik, eben nur auf "nicht-tonaler" Ebene.


Als mir zum ersten Mal ein Füllfederhalter in die Hand gedrückt wurde, stand ich kurz vor meiner Einschulung. Mit der rechten Hand sollte ich erst Buchstaben, dann ganze Worte und zu guter Letzt vollständige Sätze schreiben.
Doch es wollte nichts werden. Zittrig und ungelenk hielt ich das Schreibgerät zwischen Daumen und Zeigefinger und versuchte krampfhaft erst ein N, dann ein I und noch ein C auszuschreiben. Vergeblich nahm ich mehrere Anläufe, um meinem Vater zu beweisen, dass ich es konnte, dass ich meinen Vornamen sauber und lesbar in Schönschrift auf weißem Untergrund verewigen würde.


Den Tränen nahe, ließ ich den Stift fallen. Es funktionierte nicht. Alles, was ich auf das weiße Papier produzierte, sah aus wie ein dahin gekritzelter Buchstabensalat, wie ein verheddertes Wortknäuel, ja eben wie ein undefinierbares Geschmiere.

 

©Nicole Hacke

Jetzt ruhte der Füllfederhalter vor mir auf dem Schreibblock. Trotzig weigerte ich mich, ihn noch mal anzurühren. Stattdessen starrte ich nur auf die blauen Tintenflecke, aus denen sich vage einzelne Buchstaben erahnen ließen. Doch mehr als eine Ahnung war es auch schon nicht mehr.


Würde ich jemals das Schreiben erlernen? War Aufgeben eine Option? Widerwillig griff ich erneut nach dem bockigen Stift, der schwer zu beherrschen und kaum in den Griff zu bekommen war und hielt ihn diesmal, ohne es bewusst wahrzunehmen, in meiner linken Hand. Wie automatisch, so als ob es nie anders gewesen wäre, formte ich mit dem Schreibgerät, mit meiner linken Hand wohlgemerkt, zwar etwas unsicher und wackelig, den ersten, dann deutlich sicherer den zweiten und letztendlich alle restlichen Buchstaben sauber und lesbar zu einem Wort.


Angestachelt von diesem winzigen Erfolg, wiederholte ich eifrig meinen ersten Schreibversuch und reproduzierte meinen Vornamen so oft auf das Papier, bis ich das zufriedenstellende Ergebnis voller Stolz meinem überraschten Vater präsentieren konnte.


Von diesem Tag an wurde das Schreiben zu meinem kreativen Ausdrucksmittel, zu einem greifbaren Medium meiner Persönlichkeit Freiraum zu verschaffen, sowie meine Gedanken und Gefühle zu kanalisieren.


Ich verfasste immer wieder kleine Geschichten, fantasierte mir Handlungen zusammen, schrieb Gedichte und ließ mich über Themen aus, die mich bewegten. Als mir dann irgendwann der Gedanke kam, meine große Musikleidenschaft in Worte zu kleiden, war ich mir anfänglich überhaupt nicht sicher, ob sich Musik in Wort und Schrift jemals vollumfänglich erfassen ließe.

 

©Nicole Hacke

Wie soll ein tonales Erlebnis in Worte gekleidet werden, wenn es so viel einfacher ist, Musik über das Gehör direkt und unmittelbar zu erfahren? Was können Worte da überhaupt noch ausrichten? Wie können sie einen Konzertabend so eindeutig und mit emotionaler Tiefe beschreiben, dass man die Begeisterung, die Atmosphäre, das künstlerische Vermögen des Interpreten nachspüren, ja nachempfinden kann - ganz unter Ausschluss des Gehörs und aller anderen Sinne?


Mit dem Schreiben verhält es sich so anders als mit der Musik. Man taucht dabei ganz eindeutig in eine völlig andere Welt ab, eine Kreativwelt, die von der Fantasie des Lesers lebt, die mit der Fantasie des Lesers spielt, die aber vielmehr die Fantasie des Lesers anregen und schüren muss, wenn sie überhaupt zu etwas taugen soll. Dafür muss es ein Textbeitrag leisten können, dass vor dem inneren Auge des Lesers automatisch ein Film abgespult wird, damit ein direktes Abtauchen in die Erzählung erst möglich wird. Doch vielmehr als es die Fantasie vermag, sind in übergeordneter Weise die Emotionen der eigentliche Zündstoff, um einer Geschichte Leben einzuhauchen.


Und mit dieser Emotionalität bewaffnet, versuche ich, meine konzertanten Ereignisse, die Opernbesuche und all die schönen musikalischen Momente, die mich fasziniert und nachhaltig beeindruckt haben, in lebendige Geschichten und Erzählungen umzuwandeln und die Gefühle, die sich dabei in mir geregt haben, sowie den flüchtigen musikalischen Moment für mich und andere festzuhalten, damit er bleibt und nicht in der Erinnerung verblasst.


Mein Weg des Schreibens ist gleichermaßen der Wunsch und der ungebremste Wille, Begeisterung für die Klassische Musik zu schüren, neugierig auf das vielleicht unbekannte Musikgenre zu machen und eine Unmittelbarkeit mit dem fremden Musikkosmos herzustellen, damit Berührungsängste gar nicht erst entstehen.

 

©Nicole Hacke

Deshalb lege ich auch keinen gesteigerten Wert auf eine ausufernde, in die Fachsimpelei und Fachterminologie abdriftende Berichterstattung. Mir geht es vielmehr um das Erlebnis des Live- Auftritts, die Stimmung im Konzertsaal, das musikalische Empfinden, die Aura und die Ausdruckskraft der Interpreten auf der Bühne, die Interaktion mit dem Publikum und die Reaktion desselben auf die Künstler.


Somit kreiere ich eher wortmalerische Filmsequenzen, in der sich die Intensität und die Lebendigkeit des musikalischen Abends widerspiegeln. Damit möchte ich meine Leser in der Hauptsache dazu animieren, neugierig auf das Faszinosum der Klassischen Musik zu werden.


Ohne mich dabei zu weit aus dem Fenster zu lehnen: Wunder können meine Worte nicht vollbringen, auch Töne werden sie nicht aus dem Hut zaubern. Aber zumindest kann ich mein musikalisches Empfinden in jedes meiner Worte legen und diese so laut werden lassen, dass sie auf der Tonspur des Herzens beim Lesen meiner Beiträge hoffentlich mitgehört werden.


Mehr als das kann ansonsten nur noch die Musik selbst und ein echter Konzertbesuch ausrichten.

 

Ich freue mich außerordentlich, wenn Ihr an meinen Beiträgen Freude habt. Noch viel mehr freut es mich allerdings, wenn es mir dabei gelingt, Euch tatsächlich für die Opernwelt und die Klassische Musik zu begeistern. 

 

Habt Ihr ein tolles Konzerterlebnis oder Erfahrungswerte, die Ihr mit mir teilen wollt? 

 

Dann schreibt mir doch einfach.

 

©Nicole Hacke

Eure


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