treppenhauskonzerte

WENN DU NICHT INS KONZERT KANNST, DANN MUSS DAS KONZERT EBEN ZU DIR KOMMEN!

27. APRIL 2020

©Nicole Hacke

Bereits morgens, direkt nach dem Aufstehen, gleich unter der Dusche, trällere ich die ersten Lieder vor mich hin. Ich liebe es, zu singen, könnte stundenlang singend meinen Tag ausfüllen und mir kurz vor dem Zubettgehen noch ein kleines Gute-Nacht-Lied vorsummen. Mein Leben wäre allein durch das Musizieren und insbesondere durch das Singen so gut wie vollkommen, wäre da nicht die zermürbende Ungewissheit, die mich, genau wie viele andere, vor der Zukunft zurückschrecken lässt.


Die Zeiten sind gerade nicht sehr rosig, der Alltag eintönig, gleichförmig und auf die eigenen vier Wände sowie die lebensnotwendigen Einkaufsaktivitäten in den nahe gelegenen Supermärkten beschränkt. Was aus unserer Wirtschaft wird, ob sie die Krise unversehrt übersteht oder unaufhaltsam den Bach runtergeht, wie es um den Arbeitsmarkt bestellt sein wird, wie sich Reisen und andere bisher selbstverständliche Freizeitaktivitäten zukünftig gestalten werden, steht in den Sternen. Nichts ist gewiss, dafür müssen wir mit einer Vielzahl an Einschränkungen und strafpflichtigen Verboten leben.


Alles, was uns Freude, Freiheit und Abwechslung beschert hat, ist aktuell tabu, verboten und aus dem regulären Alltagsgeschehen exkludiert.


Die Konzerthäuser haben Spielpause bis vorerst Ende August, Theater und Museen ebenso. Was nach Großveranstaltung klingt, wird über den Sommer hinaus rigoros unterbunden. Dabei ist Unterhaltung im übergeordneten Sinn, und ganz speziell Musik, essenziell wichtig.
Wo sollen wir denn Bitteschön mit unserem hausgemachten Stress, den Sorgen, Ängsten und unserer Resignation hin, wenn wir keiner einzigen Live-Veranstaltung mehr beiwohnen können. Und das ausgerechnet auch noch im Sommer, genau dann, wenn die Festival-Saison geradezu nach Freilichtveranstaltungen schreit, die schönsten Veranstaltungsstätten zu lauen, musikalischen Sommernächten einladen.

 

©Nicole Hacke

Wie kompensieren wir unseren seelischen Druck, der für so viele Menschen - und gerade für Alleinstehende - immer größer wird, je weniger ein soziales Miteinander gepflegt werden kann.


Je mehr Zeit ins Land geht, in der wir unser Leben nicht frei und selbstbestimmt gestalten können, je mehr wir in Selbstisolation einen wichtigen Teil unserer lieb gewonnenen kulturellen Vorlieben aufgeben müssen, desto unruhiger, unzufriedener und emotional unausgeglichener wird der Großteil der Bevölkerung viel zu nervös und gereizt auf eine positive Wende warten.


Doch wie lange werden wir uns noch in Verzicht üben können, wenn sich Herz und Seele immer mehr nach Konzerten, Opernaufführungen und Festspielen verzehren?
Da helfen auch nicht die beschwichtigenden Worte unserer Regierungsoberhäupter und die Beschönigungen, dass wir irgendwann wieder zur Normalität zurückkehren werden.

 

Wir wissen schließlich noch nicht einmal, wann das sein wird - und wie diese vermeintliche Normalität ihren Weg ins Leben zurückfinden wird oder ob wir diese grundsätzlich neu definieren müssen. Alles wird gut. So, so. Na, dann!


Fest steht jedenfalls, dass die Vorstellungen für die Opernfestspiele in München vor ein paar Tagen allesamt storniert wurden. Und auch die unzähligen anderen Veranstalter, bei denen ich bereits Konzertkarten erworben hatte, werden sich sicherlich in nächster Zeit bei mir melden, um mir mit großem Bedauern mitzuteilen, dass auch sie ihr Programm für die diesjährige Saison gezwungenermaßen absagen müssen.


Was soll ich machen! Ich werde genötigt, mit dieser unschönen Entwicklung zurechtzukommen, denn was ich nicht ändern kann, muss ich letztendlich, wenn auch zähneknirschend, akzeptieren. Doch was, wenn ich mich den Umständen, dem Schicksal nicht so einfach beuge und mir vor allem die Musik und das Hautnaherlebnis eines Konzertes nicht so ohne Weiteres nehmen und entgehen lassen will?


Ganz einfach: ich veranstalte einfach meine eigenen, kleinen Liederabende in intimer Runde, spüre die Musik hautnah in mir nach und erfreue auch meine Nachbarschaft mit meinem kleinen, aber fein ausgewählten Liedrepertoire.

 

©Nicole Hacke

Erst neulich als ich freudig singend durch das Treppenhaus vor mich hin trällerte, um Wäsche aufzuhängen und ein paar Dinge aus dem Keller heraufzutragen, lugte meine Nachbarin aus dem obersten Stockwerk mit ihrem Kopf aus der Tür hervor und rief mir zu, ich solle unbedingt weitersingen und bitte sehr gerne auch direkt im Treppenhaus, da höre man meine Stimme schließen am besten und sie könne so ihre Tür einen Spalt breit geöffnet lassen, um meinem Gesang zu lauschen.


Und prompt ward die Idee geboren. Es musste ein Treppenhauskonzert her.


Damit würde ich schließlich nicht gegen die aktuellen Sicherheitsauflagen der Regierung verstoßen, der Abstand von min. 1,5 m wäre hinreichend gewahrt, zumal keiner meiner Nachbarn sich für die Musikdarbietung im häuslichen Rahmen auch nur einen Zentimeter aus den komfortablen vier Wänden herauswagen müsste - und selbst meiner Gesundheit täte das Konzert vor Publikum keinen Abbruch, gehörte das Treppenhaus während meiner künstlerischen Darbietung ganz allein mir.


Ich versprach meiner Nachbarin, mich nun regelmäßig für etwa 15 - 20 Minuten ins Treppenhaus zu stellen, um eine Liedauswahl bestehend aus Operette, Schlager, Chanson, Pop und Rock zum Besten zu geben. Ganz klar würde mir das auch nicht sonderlich schwer fallen, denn mein Repertoire durch alle möglichen Musikgenres, liest sich locker wie eine gut sortierte Liste der Top 100 Charts.


Tatsächlich ist mein melodisches Gedächtnis brillant, denn ich kann einfach jedes Lied, angefangen mit den Schlagern der goldenen 20 er Jahre bis hin zu den modernen Popsongs unserer Zeit, eines nach dem anderen, wie auf Knopfdruck, abspulen - und das aus der bloßen Erinnerung heraus auf den Ton genau, so akkurat wie von einem Tonträger selbst.
Ohne Übertreibung muss ich allerdings zu meiner Schande gestehen, dass meine Textsicherheit dabei manchmal zu Wünschen übrig lässt. Irgendwo muss ja schließlich auch ein Haken dran sein.


Auf jeden Fall singe ich nun, mit oder ohne Text, nicht mehr nur noch unter der Dusche für mich allein, sondern stelle mich meinem Lampenfieber und singe mit viel Gefühl und großer Freude in meinem Treppenhaus für das Seelenwohl der nachbarschaftlichen Gemeinschaft.


Und die dankt es mir von Herzen, denn was wären wir alle, was wäre ich ohne Musik, ohne das große musische Gefühl, das mir direkt aus der Seele singt und hoffentlich gerade in dieser Krisenzeit meine Mitmenschen in ihrem Empfinden auf das Positivste berührt.

 


Tut auch Ihr gerade etwas im Bereich des sozialen Engagements? Helft Ihr ehrenamtlich in einer sozialen Einrichtung aus? Oder gehört Ihr sogar zu einer der vielen fleißigen, unermüdlichen Helfer, die sich im medizinischen Bereich für Ihre Patienten aufopfern? Euch allen gilt ein großes Dankeschön. Ihr leistet unheimlich viel, um die kranken Bürger und Bürgerinnen wieder auf die Beine zu helfen.


Gegenseitige Unterstützung, Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe, genau das sind die Grundzutaten einer gut funktionierenden Gesellschaft. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Krise nur gemeinsam und ausschließlich miteinander überstehen werden. Und dabei gibt es so viele Möglichkeiten, die Gesellschaft bereits mit kleinen Gesten und Aufmerksamkeiten emotional zu stärken und zu motivieren, im Großen wie im Kleinen.


Und wenn jeden Tag auch nur ein Lied unsere Lippen verlässt und wir es damit schaffen unseren Mitmenschen ein Strahlen ins Gesicht zu zaubern, dann verliert die Krise ihren Schrecken und ihre Macht über uns, dann siegt das Positive und der Glaube daran, dass doch alles wieder Gut werden kann.


Deshalb lasst uns einfach alle mehr Musik machen und vor allem füreinander musizieren! Denn Musik ist ein verbindendes, bestärkendes Glied auf diesem unwegsamen, steinigen Pfad, der von sozialgesellschaftlichen und insbesondere wirtschaftlichen Durststrecken nur so übersäht scheint.

 

Eure

 


Wir spielen für Österreich - Erlebnis Bühne im ORF

 Auch im Großen werden gerade unzählige Live-Streaming Angebote, Vlogs und Heimkonzerte viral geschaltet. Erst kürzlich strahlte der ORF III ein Konzertformat aus, bei dem Künstler von Rang und Namen für Österreich "aufspielten", und das sowohl aus dem leeren Radiokulturhaus in Wien als auch per Videoschaltung aus den Heimatorten der jeweiligen Interpreten.

 

Die komplette Sendung "Erlebnis Bühne - Wir spielen für Österreich", moderiert von Barbara Rett, kann über die ORF-TVthek unter folgendem Link abgerufen werden:

 

www.tvthek.orf.at

 

Die dreiteilige Konzertreihe des ORF III ist bereits am 19. April mit dem ersten Konzert an den Start gegangen und begrüßte unter anderem hochrangige Künstler, wie Sopranistin Anna Netrebko, Tenor, Juan Diego Florez, die Mezzo-Sopranistin Elena Maximova, Tenor Jonas Kaufmann sowie Jongmin Park.

 

Die verbleibenden Konzerte finden am 26. April und am 03. Mai 2020 statt und sind nach dem Sendetermin für weitere sieben Tage in der ORF-TVthek für das internationale Publikum abrufbar.

 

Programmdetails der Folgetermine:

 

Operettenklassiker mit der Volksoper Wien am 26. April 2020

Musicals unter Teilnahme der Vereinigten Bühnen Wien am 03. Mail 2020

 

jeweils um 20:15 Uhr im ORF III

 

©ORF - Wir spielen für Österreich / Videoauszug über youttube bereitgestellt - Jonas Kaufmann singt: "In einem kleinen Café in Hernals"


montage sind Klasse!

Wer sich sonntags nicht schon auf montags freut, der macht irgendetwas falsch. Denn es gibt tatsächlich Grund genug, den Wochenanfang freudestrahlend zu begrüßen, denn die Montagskonzerte der Bayerischen Staatsoper sind zurück, und zwar jeden Montag ab 20:15 Uhr per Livestream. Die Wiederaufnahme findet just am heutigen Abend, den 27. April 2020 statt.

 

Das ausgewählte Programm wird unter anderem von der Sopranistin Elsa Benoir, dem Münchner Klaviertrio mit Tilo Wiedenmeyer sowie Helmut Deutsch und Jonas Kaufmann abgerundet.

 

Alle Folgetermine können unter dem Link der Bayerischen Staatsoper abgerufen werden:

 

www.staatsoper.de

 

© Bayerische Staatsoper / Sopranistin Hanna Elisabeth Müller singt "Morgen" von Richard Strauss 


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