Im Gespräch mit Patricia Nolz: Im LIed kann ich wirklich meine Seele sprechen lassen!

13. November 2022

Rubrik Interviews

©Cristof Wagner

Erst kürzlich hat die junge Mezzosopranistin Patricia Nolz ihr Debüt als Musik in Monteverdis 400 Jahre alter Oper L´Orfeo an der Wiener Staatsoper gefeiert. Frisch vom Opernstudio ins Ensemble des ersten Hauses am Ring aufgerückt, sticht die Sängerin in den noch übersichtlichen Rollen, die sie bekleidet, ganz deutlich aus der Masse der singenden Zunft hervor.

 

Liegt es am warmgoldenen Klang ihrer Stimme? Sind es die Emotionen, die Patricia Nolz mit ihren gerade mal 27 Jahren so eindrücklich und intensiv transportieren kann? Oder kann man es einfach kaum glauben, dass die junge Sängerin eine Bühnenpräsenz ausstrahlt, wie man sie eigentlich nur von deutlich erfahreneren Sängerkollegen erwarten würde.

 

Kaum auf der Bühne und schon ganz Profi: Patricia Nolz hat hohe Erwartungen an sich selbst. Immer weiter wachsen möchte sie stimmlich, persönlich und emotional. Dass das alles von innen kommen muss, damit es im Außen wirken kann, ist für die österreichische Mezzosopranistin selbstredend.

 

Dass Patricia Nolz auch bei Liederabenden einen bleibenden Eindruck hinterlässt, bewies sie unlängst bei der Brahms Nacht im Rahmen des Schleswig-Holstein-Festivals. Dort sang sie sich mit drei weiteren Sängerkollegen in die Herzen des enthusiasmierten Publikums.

 

Patricia Nolz nimmt ihre Berufung ernst, liebt den Liedgesang, weil sie im Lied ihre Seele sprechen lassen kann und ist von Freude erfüllt, als Künstlerin aus sich heraus wachsen zu dürfen, denn die Ziele im Außen stellen sich ihrer Meinung nach erst dann mit Leichtigkeit ein, wenn man aus seiner inneren Fülle schöpfen kann.

 

Operaversum: Liebe Patricia, erzählen Sie mir ein wenig über Ihren Werdegang: Warum entscheidet man sich für eine Karriere als Opernsängerin und was ist der besondere Reiz, sich ganz gezielt in der klassischen Musikbranche zu verwirklichen?

 

Patricia Nolz: Bei mir hat sich der Weg hin zur Opernsängerin nicht sofort glasklar abgezeichnet. Ich komme aus einer Familie, die keinen Bezug zur klassischen Musik hat. Was mir aber in jungen Jahren den Zugang zu diesem Genre erleichtert hat, ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass wir hier in Österreich ein sehr ausgeprägtes Musikschulwesen haben und ich mich andererseits auch schon früh für Musik und Gesang interessiert habe.


Somit kam es, dass ich bereits als Siebenjährige begonnen habe, ein Instrument zu erlernen. Mit der Querflöte nahm quasi alles seinen Lauf. Und ich hatte großes Glück, einer besonders engagierten Lehrerin zu begegnen, die als frische Absolventin der Musikhochschule dafür brannte, ihren Schüler:innen die klassische Musik nahe zu bringen. Innerhalb weniger Jahre hat sie uns Flötenmäuse durch das komplette Repertoire des Frühbarock bis hin zur zeitgenössischen Musik gejagt.


Es hat mich außerordentlich fasziniert, so schnell in den Farbenreichtum der klassischen Musik eintauchen zu dürfen. Ich war so Feuer und Flamme für diese Musik, dass ich ohne jeglichen Druck oder Ehrgeiz meiner Eltern eigenmotiviert und kontinuierlich geübt habe.


Wenig später kam dann auch der Wunsch, Flötistin zu werden. Allerdings fehlte mir das nötige Selbstvertrauen, denn für eine Sololaufbahn als Instrumentalist:in muss man sich in der Regel schon in ganz jungen Jahren dafür entscheiden und den Karriereweg konsequent und mit ausdauerndem Ehrgeiz verfolgen.


Und da der Markt für Solisten im Instrumentalbereich noch kleiner als bei Sängern ist, schien es mir dann doch wenig greifbar, diesen Weg einzuschlagen. Als ich dann mit 10 Jahren auf das Musikgymnasium wechselte und mit 14 Jahren Gesangsunterricht dazu wählen konnte, packte ich die Gelegenheit beim Schopf, denn ich hatte schon immer eine große Leidenschaft für das Singen.


Die Erleuchtung, dass es das ganze klassische Musikrepertoire auch für die Singstimme gibt, kam mir dann mit dem Erlernen der ersten Arien und Lieder. Ich war so begeistert, dass ich mir außerhalb des schulischen Unterrichts auch noch eine private Gesangslehrerin gesucht habe, die mich dann zum ersten Mal richtig in das klassische Fach eingeführt hat.


Mit 17 Jahren ließ mich der Gedanke, Opernsängerin zu werden, dann nicht mehr los. Irgendwie hatte ich diesen inneren Drang, das unbedingt ausprobieren zu wollen. Ob ich das schaffen würde, die Aufnahmeprüfung an der Musikuniversität zu bestehen und ob diese Profession überhaupt etwas für mich sein könnte, wusste ich zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Doch ich wollte später nicht zurückschauen und denken müssen: "Hätte ich das besser mal ausprobiert."


Und so habe ich diese Laufbahn eingeschlagen, sie ernsthaft verfolgt und seitdem nicht mehr zurückgeblickt.

 

©Cristof Wagner

Operaversum: Zurückblicken scheint in Ihrem Fall auch gar nicht notwendig zu sein, wenn man bedenkt, wie stark Sie in der Rolle der Zerlina im Don Giovanni an der Wiener Staatsoper brilliert haben. Dort habe ich Sie nämlich während der Pandemie erleben dürfen. Die Rolle der Zerlina stand Ihnen ausgezeichnet. Sie waren gesanglich und schauspielerisch absolut überzeugend und außerordentlich präsent.

 

Ist es für Sie leicht, in eine Rolle hineinzuschlüpfen? Wie bereiten Sie sich optimal darauf vor?

 

Patricia Nolz: Ich befinde mich als junge Sängerin immer noch im stetigen Lernprozess, weil ich noch nicht so lange in diesem Geschäft wirke. Aber da ich mein erstes Engagement direkt an der Wiener Staatsoper bekleiden durfte, habe ich in den letzten drei Jahren doch bereits ungewöhnlich viel Bühnenerfahrung sammeln können.


Permanent springt man dort mit seinen Aufgaben ins kalte Wasser, bedient unterschiedliche Musikepochen und Rollen und lernt dabei, wie man mit seiner Stimme möglichst passgenau in eine Figur hineinschlüpft. Dabei ist es für mich essenziell, dass ich jede Rolle erst mal mit meiner Stimme einstudiere, was impliziert, dass ich nicht sofort versuche, den Stil der Romantik oder des Barock zu treffen, sondern in erster Linie meine Stimme durch die Musik in meinem Körper verankere und ein Gespür dafür entwickle. Erst dann beschäftige ich mich mit den Themen: Was sind genau die Merkmale der Stilistik? Was verlangt die Musik und mit welchen Klangfarben kann ich mich hier zum Ausdruck bringen?


Das Allerwichtigste für mich ist in jedem Fall, dass ich, egal welche Rolle ich ausfülle und welche Epoche ich bediene, einen Weg finde, die Interpretation mit dem, was ich und meine Stimme hergeben, zu finden. Ansonsten verliere ich mich und versuche dann irgendetwas herzustellen, was im schlechtesten Fall nicht authentisch klingt.

 

Operaversum: Das wäre dann wahrscheinlich ein sehr gekünsteltes Resultat?

 

Patricia Nolz: Genau! Und das Singgefühl ist dann auch nicht optimal. Diese Problematik hat sich zum Beispiel beim Erarbeiten meiner Monteverdi-Partie ergeben. Da habe ich anfänglich in zu hoher Erwartung an mich selbst mit meiner Stimme im Frühbarockstil herumexperimentiert, aber relativ schnell gemerkt, dass ich erst einmal einen Schritt zurückgehen muss, um die Rolle ganz bequem mit meiner Stimme singen zu können und so zu einem echten Ausdruck zu kommen. Dieser Prozess hat sich als fruchtbar herausgestellt.


Was den Rollencharakter anbelangt und wie ich mich energetisch in eine Figur hineinversenke? Eigentlich versuche ich nicht wirklich in eine Rolle hineinzuschlüpfen, sondern vielmehr möchte ich in jeder Figur etwas finden, was es mir ermöglicht, einen echten Menschen auf die Bühne zu bringen. Da ich als junge Sängerin noch nicht so viel Rollenversatilität mitbringe, kann ich Rollen A, B oder C auch nicht wie aus einer Schublade als fertiges Paket geschnürt hervorzaubern. Stattdessen muss ich im Rollencharakter etwas finden, mit dem ich mich identifizieren kann, um das dann zum Ausdruck zu bringen.


Ich habe das Gefühl, ich kann nur dann überzeugend auf der Bühne sein, wenn ich eine ganz persönliche Haltung zur Figur finde.

 

Operaversum: Stichwort Monteverdi. Wie fühlt es sich an, in der allerersten Oper der Musikgeschichte mitwirken zu dürfen und sich auf einen für meine Begriffe befremdlichen Musikstil einzulassen, der auf den Frühbarock zurückgreift?

 

Patricia Nolz: Ich war beim Lernen der Partie zugegebenermaßen etwas skeptisch, weil ich keine Erfahrung mit Monteverdi hatte und mir der Zugang zur Musik sperrig erschien. Doch in der Produktion an der Wiener Staatsoper von Tom Morris, dirigiert von Stefan Gottfried, hat mir die szenische und musikalische Umsetzung außerordentlich viel Freude bereitet. Da wurden besondere Stimmungen kreiert, da lag so viel Zauber in der Interpretation, dass ich schlussendlich sehr dankbar war, ein Teil davon sein zu dürfen.

 

Operaversum: Das hat man absolut gemerkt. Ich muss ehrlich sagen, dass die Sänger sehr viel Emotionalität über die Musik und das Schauspiel transportiert haben, obgleich ich persönlich nur bedingt einen Zugang zur Barockmusik finde.

 

Patricia Nolz: Der Frühbarock spricht musikalisch einfach eine andere Sprache, in die auch ich mich nicht sofort hineinfinden konnte. Mittlerweile habe ich aber gemerkt, dass uns diese Musik tief emotional berühren und mitnehmen kann, wenn sie ehrlich und lebendig musiziert und szenisch überzeugend umgesetzt wird.

 

©Klara Leschanz

Operaversum: Genauso schön wie die Erfahrung, Sie als Liedsängerin live auf der Bühne zu erleben. Im Rahmen des Schleswig-Holstein-Festivals haben Sie diesen Sommer in einem absolut fantastischen „Sänger Quartett“ bei der Brahms Nacht in der St. Petrikirche in Kiel mitgewirkt.

 

Das Programm wurde kurz vor dem Konzert noch mal umgeschmissen, Sie haben vorher in der Konstellation noch nie zusammen auf der Bühne gestanden. Und dennoch: Die positive Dynamik war im Publikum fühlbar. Wie entsteht so etwas? Und wie gehen Sie mit so kurzfristigen Programmänderungen um?

 

Patricia Nolz: So kurzfristig war die Programmänderung gar nicht, denn das vermeintlich feststehende Programm war von Anfang an nicht in Stein gemeißelt. Es war vielmehr so, dass die Brahms Nacht von Julian Prégardien als Projekt geplant war und wir uns bereits Monate vor dem Konzert regelmäßig über die Liedauswahl und die kammermusikalischen Stücke ausgetauscht haben.


Wir haben Ideen gesammelt, das Programm durchdacht und letztendlich eine bunt durchmischte Liste generiert, die so umfangreich wurde, dass unser "Projektleiter" der Meinung war, dass es am fruchtbarsten wäre, die Auswahl der Lieder und Kammermusik erst ein paar Tage vor dem eigentlichen Konzert in einer gemeinsamen Jam-Session zu finalisieren.


Das war für uns alle eine Premiere, denn im klassischen Musikbereich läuft es meistens so ab, dass die Konzertprogramme schon lange Zeit im Voraus festgelegt und veröffentlicht werden. Dadurch können wir Künstler:innen uns von längerer Hand vorbereiten.


In diesem Fall war es gar nicht leicht, nicht den Überblick nicht zu verlieren. Doch als wir in Kiel alle aufeinandertrafen, merkten wir schnell, dass wir uns kreativ auf einer Wellenlänge bewegen. Die Stimmung zwischen allen Beteiligten war von Anfang an so offen, kreativ und herzlich, dass diese etwas ungewöhnliche Erfahrung der Programmfindung fast befreiend war. Und gerade weil es sich selten ergibt, sich in so einer Besetzung (Patricia Nolz, Nikola Hillebrand, Konstantin Krimmel und Julian Prégardien) auf so ein verhältnismäßig unkonventionelles Projekt einzulassen, war die Brahms Nacht in Kiel für mich ein Highlight.

 

©Klara Leschanz

Operaversum: Und das hat man auch total gespürt. Was für eine einzigartige Dynamik, vier Sängerinterpreten auf die Konzertbühne bringen können, wenn die Spontanität und die kreative Freiheit sich Bahn brechen dürfen.

 

Patricia Nolz: Das freut mich, dass der Funke anscheinend aufs Publikum übergesprungen ist. Wir werden auch versuchen, das Programm vielleicht zu wiederholen und es anderen Konzerthäusern schmackhaft zu machen. Ich finde es sehr schade, dass es nur einmal auf die Bühne kam, gerade weil wir musikalisch und menschlich so gut miteinander harmoniert haben.

 

Operaversum: Dann macht es für Sie einen großen Unterschied, mit wem Sie auf der Bühne stehen, singen und schauspielern?

 

Patricia Nolz: Definitiv. Auch wenn ich bislang nur auf nette Kollegen gestoßen bin, gibt es jene Bühnenpartner, bei denen sich relativ schnell ein sehr herzliches Verhältnis einstellt und solche, mit denen die Zusammenarbeit eher reserviert bleibt. Es gibt mir allerdings immer ein gutes Gefühl, wenn ich merke, dass die Chemie zwischen meinen Sängerkollegen und mir stimmt, denn dann kann ich Vertrauen aufbauen und in der Arbeit mehr aus mir herausgehen.


Solche glücklichen Konstellationen in der Zusammenarbeit, wie ich sie beispielsweise gerade im Orfeo erlebt habe, bewirken, dass man zu Höchstleistungen angespornt wird.

 

Operaversum: Liebe Patricia, lassen Sie uns noch mal kurz auf den Liedgesang eingehen. Was macht für Sie den Reiz daran aus? Singen Sie lieber Lieder oder Opernarien und warum?

 

Patricia Nolz: Zwischen den beiden Genres könnte ich mich nie entscheiden. Beide befruchten sich gegenseitig. Auch wenn mein Fokus aktuell stark auf der Oper liegt, studiere ich parallel immer noch Lied und Oratorium mit Florian Boesch. Es ist mein Herzenswunsch, mich im Liedrepertoire weiterzuentwickeln und ich freue mich schon jetzt darauf, ab dem nächsten Jahr mehr Liederabende zu singen.

 

Operaversum: Aber welche Faszination übt das Lied tatsächlich auf Sie aus?

 

Patricia Nolz: Für mich ist es unglaublich schön, dass ein Großteil des Liedgenres in meiner Muttersprache zu singen ist. Dadurch ist der Zugang zum Lied für mich unmittelbarer, ganz abgesehen von dem reichen Schatz an Gedichten, die für das Liedgut vertont wurden. Es kann zutiefst bewegend sein, wie durch sie die emotionalen Tiefen der Menschlichkeit thematisiert und ergründet werden. Lieder von Schubert, Schumann oder Brahms zu interpretieren, stellt für mich eine der intensivsten Erfahrungen auf der Bühne dar. Oder um es mal ganz drastisch auf den Punkt zu bringen: Im Lied kann ich wirklich meine Seele sprechen lassen.

 

Operaversum: Und wieso befruchten sich Oper und Lied Ihrer Meinung nach?

 

Patricia Nolz: Die Suche nach der eigenen Wahrhaftigkeit im Lied hilft einem auf der Opernbühne natürlich bei der Interpretation jeglicher Rollen, die man zum Leben erwecken möchte. Die Opernerfahrung brauche ich wiederum, um bei einem Liederabend bestehen zu können, denn eine Bühne einen ganzen langen Abend alleine auszufüllen, erfordert starke Nerven und stimmliche Stamina. Liederabende sind gesanglich und emotional sehr herausfordernd. Um das gut machen zu können, brauche ich persönlich die Erfahrung aus beiden Bereichen.

 

©Cristof Wagner

Operaversum: An der Wiener Staatsoper haben Sie eine berufliche „Heimat“ gefunden. Als festes Ensemblemitglied darf man Sie ab der Saison 2022/2023 erleben. Vom Opernstudio ins Ensemble: Wie wird man im Opernstudio auf das Ensemble vorbereitet? Und was lernt man im Opernstudio?

 

Patricia Nolz: Zuerst einmal muss man sagen, dass die Ziele jedes Opernstudios im deutschsprachigen Raum unterschiedlich gesteckt sind. An der Wiener Staatsoper ist es beispielsweise explizit erwünscht, bereits als Opernstudio-Mitglied kleinere Rollen auf der Bühne zu übernehmen. Diesen direkten Zugang zum Operngeschehen finde ich sehr konstruktiv, zumal man sofort den Betrieb von innen kennenlernt und dennoch nicht gleich die komplette Verantwortung einer fest etablierten Opernsängerin auf den eigenen Schultern lastet.


Für mich persönlich war die Erfahrung im Opernstudio äußerst lehrreich und fruchtbar, da ich neben Workshops, Kursen und Schulungen mein Handwerk weiter vertiefen und verfeinern konnte. Und wie es die glückliche Fügung manchmal so will, konnte ich als Einspringerin am Theater an der Wien als Cherubino so überzeugen, dass die Wiener Staatsoper auf mein Potenzial aufmerksam wurde und mich bereits im zweiten Jahr meiner Opernstudiomitgliedschaft in Rollen wie Cherubino und Zerlina besetzt hat. Glück gehört nun mal auch dazu… oder wie es mein Lehrer sagt: Man muss seine Chancen zu nutzen wissen.

 

Operaversum: Und haben Sie für sich ein Rezept entwickelt, wie man mit Glück und Können einen erfolgreichen Karriereweg beschreitet?

 

Patricia Nolz: Das ist eine spannende Frage und ich versuche Antworten zu finden, indem ich oft erfahrenere Kollegen befrage, wie sie mit ihrer jeweils individuellen Einstellung, ihren Entwicklungsschritten und ihrem Arbeitsethos an die Sache herangehen. Was macht beispielsweise den Unterschied für eine lange Karriere und für ein langes Wachstum? Dabei ist es immer interessant zu erfahren, dass es auf diese Fragen die unterschiedlichsten Antworten gibt und dass man je nach Sängertyp auf ganz unterschiedlichem Wege erfolgreich sein kann.


Was meine eigene Herangehensweise anbelangt, so glaube ich, dass es für mich essenziell ist, den höchsten Anspruch an mich selbst zu haben, wenn es darum geht, noch besser zu singen, noch mehr Repertoire zu erlernen, noch mehr Mut zu haben, etwas Wahres, etwas Echtes auf die Bühne zu bringen. Und da merke ich, dass ich alleine in den letzten Jahren schon viel mutiger geworden bin, mir mehr zutraue. Aber ich spüre ebenso, dass ich noch längst nicht am Zenit meines Potenzials angelangt bin. Ich hoffe darauf, dass ich noch viel mehr Rollen bekleiden werde, die mich aus der Reserve locken, wenn es darum geht, die Energie, die in mir steckt, vollständig hervorzuholen.

 

Operaversum: Apropos Energie! Sie wirken auf mich unglaublich souverän, bühnenpräsent, ausdrucksstark und charismatisch. Haben Sie überhaupt Lampenfieber und wenn ja, wie gehen Sie damit um?

 

Patricia Nolz: Das ist ganz unterschiedlich. An manchen Tagen bin ich vor einem Auftritt relativ entspannt, an anderen Tagen spüre ich eine Höchstspannung in mir, die ich vielleicht gar nicht unbedingt als Lampenfieber bezeichnen würde. Kurz vor dem Auftritt kann ich dann doch extrem nervös sein. Doch diese Nervosität löst sich auf, sobald ich auf der Bühne stehe und ins Licht trete. Dann bin ich absolut fokussiert und in meiner Mitte.

 

Operaversum: Das bedeutet aber, die Nervosität vor dem Auftritt werden Sie tatsächlich nicht los. Es gibt auch keine Methode, derer sie sich behelfen könnten, um das Lampenfieber unter Kontrolle zu bringen?

 

Patricia Nolz: Ich versuche, vor jeder Vorstellung zu meditieren, um mich zu spüren und meinen Atem zu vertiefen. Ich möchte trotz Nervosität vermeiden, dass mir die Stimme nach oben rutscht. Mit Meditation kann ich mich und meine Stimme erden.

 

Operaversum: Heutzutage sprechen alle über Brand-Management: Welchen Stellenwert haben für Sie die sozialen Medien im Kosmos der Opernbranche. Können Sie sich vorstellen, sich dort perspektivisch verstärkt als „Marke“ zu präsentieren und braucht es die sozialen Medien wirklich „on top“, um die Oper und somit die Sängerdarsteller dem Publikum deutlich näher zu bringen?

 

Patricia Nolz: Ich tue mich nicht ganz so leicht mit den sozialen Medien, denn es ist schon ein zusätzlicher, nicht unwesentlicher Zeitaufwand, Stories und Beiträge zu posten, zumal ich mich in erster Linie vordergründig auf meine Auftritte fokussiere. Sich als Brand zu positionieren ist ebenfalls eine Gratwanderung, denn generell lege ich großen Wert auf meine Privatsphäre. Wo also zieht man die Grenze zwischen der privaten und der öffentlichen Person Patricia Nolz?


Einerseits möchte man nicht sein ganzes Privatleben offenbaren, andererseits will man sich aber auch nicht als stilisierter Hochglanzstar präsentieren. Ich versuche einen Mittelweg zu finden, wie ich mich als aufstrebende Künstlerin präsentieren kann, ohne mich dabei verstellen zu müssen oder zu viel von meinem Leben abseits der Bühne preisgeben zu wollen.


Ohne die sozialen Medien wird es in meiner Generation nicht mehr gehen. Das ist mir durchaus bewusst. Und es wäre auch befremdlich, gerade für das jüngere Publikum, wenn man meinen Namen auf Instagram oder Facebook eingeben würde, und es kämen keine Treffer. Und ich muss auch zugeben, dass ich mir selbst gerne mal Kurzvideos anderer Künstler anschaue. Diese Einblicke sind schon interessant.

 

Operaversum: Liebe Patricia, was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Zukunft? Haben Sie sich bereits Meilensteine gesetzt, wo Sie sagen, da möchte ich in den nächsten Jahren unbedingt hin oder lassen Sie das komplett offen?

 

Patricia Nolz: Nun, wer wünscht sich nicht, perspektivisch in tollen Häusern herausragende Rollen zu singen. Allerdings stecke ich mir meine Ziele nie im Außen, sondern immer im Innen. Das bedeutet ganz konkret, dass ich mich in erster Linie weiter in jeglicher Hinsicht verbessern möchte, um so mein Potenzial voll ausleben zu können. Einfach gesagt möchte ich mir damit mein Leben so bauen, wie ich es mir wünsche.


Das ist mein innerer Kompass, nach dem ich lebe. Und bis jetzt hat mir dieser innere Kompass großartige Dinge im Außen beschert. Ich glaube, dass ich mit dieser Einstellung gut beraten bin und mich nicht darauf versteifen sollte, eine bestimmte Liste abzuarbeiten.


Wenn die großen Rollen an den großen Häusern kommen, wird die Freude darüber immens groß sein. Aber ein glücklicher Mensch bin ich schon jetzt, denn ich darf bereits jetzt jeden Tag an meinen Aufgaben wachsen. Und das ist ein sehr nährender und bereichernder Prozess.


Es können Wunder geschehen, wenn man sich ehrlich auf seine inneren Ressourcen fokussiert. Das habe ich schon mehrmals erleben dürfen.

 

Operaversum: Das haben Sie sehr schön gesagt. Was darf ich Ihnen für die Zukunft noch wünschen?

 

Patricia Nolz: Was Ihnen von Herzen kommt!

 

Operaversum: Dann wünsche ich Ihnen noch ganz viele tolle Aufführungen und ganz, ganz viel Erfolg!

 

Patricia Nolz: Ich danke Ihnen. Das war eine schöne Begegnung mit Ihnen!

 

Operaversum: Das gebe ich gerne zurück. Vielen Dank für das inspirierende Gespräch!

 

Das Interview mit Patricia Nolz fand am 18. Oktober 2022 exklusiv für das Online Opernmagazin Operaversum statt.


©Klara Leschanz

Die junge österreichische Mezzosopranistin Patricia Nolz absolviert ihre Ausbildung an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien im Masterstudium Lied- und Oratorium bei Florian Boesch und Claudia Visca. Sie ist Gewinnerin des Casinos Austria Rising Star Awards 2019 und Preisträgerin von Wettbewerben wie ÖJAB Musikwettbewerb Wien und dem Osaka Musikwettbewerb in Japan. 2019 war sie Anny-Felbermayer-Stipendiatin.

Auf der Opernbühne war Patricia Nolz bislang unter anderem am Schönbrunner Schlosstheater (Hänsel in Hänsel und Gretel, Filipjewna in Eugen Onegin, Titelrolle in Oreste, Cherubino in Le nozze di Figaro, Rosina in Il barbiere di Siviglia), am Arnold Schönberg-Center, an der Clairmont Concert Hall Tel Aviv, im Schloss Perchtoldsdorf (Dido in Dido and Aeneas), in Soligen und Remscheid (Bradamante in Alcina), sowie bei den Herbsttagen Blindenmarkt (Orlofsky in Die Fledermaus) zu erleben.

Im Herbst 2020 konnte sie mit ihrem Debüt als Cherubino in einer Neuproduktion von Mozarts  Le Nozze di Figaro im Theater an der Wien unter der Leitung von Stefan Gottfried und in der Regie von Alfred Dorfer einen großen Erfolg verbuchen. Nach zwei Jahren im Opernstudio der Wiener Staatsoper, wo sie als Cherubino in Mozarts Le Nozze di Figaro, und als Zerlina in einer Neuproduktion von Mozarts Don Giovanni unter der Leitung von Philippe Jordan erste Erfolge feierte, wird sie ab der Saison 2022-2023 ins Ensemble der Wiener Staatsoper übernommen. Patricia Nolz wird in Partien wie Zerlina/Don Giovanni, La Musica & La Speranza in Monteverdis L’Orfeo, als Rosina/Il barbiere di Siviglia, Wellgunde/Rheingold & Götterdämmerung zu erleben sein. In der Neuproduktion von Mozarts Le Nozze di Figaro unter der Leitung von Philippe Jordan und in der Inszenierung von Barrie Kosky übernimmt sie die Partie des Cherubino und in der Neuproduktion von Strauss Salome wird sie den Pagen verkörpern. Ein weiterer Höhepunkt in der Saison 2022/2023 ist ihr Debüt als Rosina in einer Neuproduktion von Rossinis Il Barbiere di Siviglia an der Opéra national de Lorraine in Nancy.

Patricia Nolz trat in zahlreichen Konzerten auf und ist eine versierte Liedsängerin. Höhepunkte der jüngsten Vergangenheit waren Beethovens IX. Symphonie mit den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Karina Canellakis, Bachs h-moll Messe mit dem Ensemble Barucco unter Heinz Ferlesch, Mozart- & Haydn-Arien mit dem Concentus Musicus und Stefan Gottfried bei den Harnoncourt-Tagen in St. Georgen, ihr Debüt im Wiener Musikverein mit Purcells Fairy Queen mit dem Concentus Musicus und unter der Leitung von Stefan Gottfried, sowie eine Benefizgala zugunsten der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der Wiener Stadthalle, die in ORF III übertragen wurde. Zukünftige Höhepunkte sind ihre Mitwirkung bei einem Brahms-Abend im Rahmen des Schleswig-Holstein Festivals, sowie Bachs Johannes-Passion mit dem Concentus Musicus unter der Leitung von Stefan Gottfried im Wiener Musikverein.


Kommentare: 0