Diana Damrau entfacht mit Feuer und Flamme den Dreivierteltakt in der Elbphilharmonie

22. April 2024

Rubrik Konzert

©Simon Fowler

Operetta makes the world go round! Für mich stand das schon immer außer Frage. Das spritzige, leichte, beschwingte und so walzerselige Genre braucht endlich Rehabilitierung und muss ein Revival erfahren, unbedingt.

 

Längst überholt sind doch die Zeiten, in denen man die oftmals als viel zu süffig und selig triefend bezeichnete Unterhaltungsmusik in eine stiefmütterliche Schublade weit weg vom ernsten und sehr ernst zu nehmenden Opernfach verfrachtet hat.

 

Von Nicole Hacke

 

Diana Damrau, mutig, wild entschlossen und voller leichtfüßiger Energie zeigt den Hanseaten in der Elbphilharmonie, wie Operette richtig geht und was es braucht, um das Feuer im Kern der "leichten Muse" haushoch zu entfachen.

 

Und dass die musikalischen Flammen an diesem besonderen Abend bis unter die Decke des Hamburger Musentempels emporzüngeln, kann man sich, ob des erfrischenden Temperaments der Sopranistin, ganz genau vorstellen. 

 

Mit den schönsten Walzermelodien im Gepäck und einer wahrlich charmanten Auswahl bekannter und beliebter Operettenhits steigert sich das Programm von der ersten Sekunde an in rauschhafte Klanghöhen.

 

Es sind musikalische Pralinen einer Ära, die mit champagnerprickelndem Inhalt gefüllt, für überschäumende Lebenslust stehen.

 

Es sind die kompositorischen Geniestreiche der unvergesslichen Operettenkönige Johann Strauß, Franz Lehár, Robert Stolz, Richard Heuberger und Emmerich Kálmán, die an diesen Abend so eindrücklich zum Leben erweckt werden.

 

Dirk Kaftan, der sich am Dirigentenpult mit impulsiver Expressivität verausgabt, dabei mit vollem Körpereinsatz bei der Sache ist und sein Orchester immer wieder zu explosiven Tempi anstachelt, bringt agogischen Schwung ins Auditorium und verströmt mit rhythmisch impulsiver Leidenschaft, einen dermaßen dynamischen Elan, dass es einem kribbelig in den Fußspitzen juckt und man versucht ist, seine Beine im Takt der Musik mitzuschwingen.

 

©Simon Fowler

Tanzen möcht´ ich, jauchzen möcht´ ich, in die Welt es schrein´, heut ist der Abend der Muse, leicht und fein...

 

Ob bei "Liebe , du Himmel auf Erden" oder aber bei "Schlösser, die im Monde liegen", Diana Damrau scheint in einem einzigen einzigartigen gesanglichen Schwebezustand zu verweilen. Im farbenprächtigen Blumenkleid, strahlend schön, gleicht die quirlige Sopranistin dem blühenden Leben selbst.

 

Agil, voller Verve, Leichtigkeit und perlend fein: Es sprudeln die prickelnden Töne nur so aus ihr heraus, erblühen zu klangprächtiger Fülle und ergießen sich warm und golden im Auditorium.

 

Mit Feuer und Flamme entfacht die charismatische Künstlerin den Dreivierteltakt in der Elbphilharmonie.

 

Und das alles mit so viel leidenschaftlichem Temperament, einer erfrischend lebendigen und jugendlich strahlenden Aura, dass man sich von so viel charismatischer Ausstrahlung und expressiver Lebendigkeit magisch angezogen fühlt.

 

Diese Frau umarmt das Leben, schöpft aus seiner Fülle und aus dem Vollen, lebt die Operette in all ihrer musikalischen Pracht. Es klingt und singt und summt und zwitschert wie in einem paradiesischen Garten, der den Himmel auf Erden und sämtliche Schlösser im Monde miteinander vereint.

 

Dabei hält Diana Damrau immer auch den engen Kontakt zum Publikum, zieht ihre Zuhörer allein durch ihre entfesselnde Art in den Bann, die durch ihr Humor gespicktes schauspielerisches Talent und ihre ausdrucksstarke Präsenz komplementiert wird. Differenziert geht sie dabei an jede Interpretation heran, was sich ganz besonders im ungarischen Lokalkolorit widerspiegelt.

 

"Hör ich Cymbalklänge"! Und wie ich sie höre! Denn zuerst einmal wird die erste Geige mit liebevollem Nachdruck von Frau Damrau zum Stehen animiert. Authentisch ungarisch und pfeffrig feurig kann das Werk Lehárs nur im Stehen pulsieren.

 

Und Diana Damrau selbst ist eine Augenweide wie sie da so stolz und erhaben im schwarzen Spitzenkleid und mit einer klatschmohnroten Blume im Haar vor ihrem Publikum steht und mit ausdrucksstarker Vokalathletik diese überaus schwierige "Nummer" in den letzten Winkel des Konzertsaales nahezu lässig schmettert.

 

©Simon Fowler

Für diese Operettenarie aus Lehárs "Zigeunerliebe" braucht es eine große Portion Klasse, ein gehaltvolles Maß an temperamentvoller Glut und pardon, auch ein wenig Pfeffer im... Na, sie wissen schon, was ich meine!

 

Jedenfalls perlen die Töne der Sopranistin wie aus einem eleganten Guss, koloratursicher und farbenreich, saturiert und ausdauernd in den Orbit der fliegenden Obertöne.

 

Joi-joi, Mama, was diese Damrau alles kann. Dabei dreht sich die virtuose Vokalathletin flink und flott im Takt dazu und unterhält zwischenzeitlich ihr Publikum auch immer mal wieder mit kleinen Anekdoten.

 

Besonders schmackhafte musikalische Amuse-Gueules sind auch die gemeinsamen Duette mit dem österreichischen Tenor Nikolai Schukoff, der ganz Bonvivant nach der Pause ins Maxim geht oder auf einen Abstecher mit Frau Damrau ins "Chambre séparée".

 

Danach ist er dann so angeheitert, dass er noch weiter auf "Hundert volle Gläser" schwört - und dass im hellstrahlenden Brustton der Überzeugung, denn nach dem hundertsten Glas scheint für den Tenor stentoralkräftig gesehen, das rauschende Fest der Vokalerotik noch lange nicht zu Ende zu sein.

 

Während herrliche Intermezzi, darunter die Champagner-Polka von Johann Strauß oder der Galop infernal aus Orphée aux enfers den gesanglichen Rahmen ausschmücken und mit viel Esprit von der NDR Radiophilharmonie dargeboten werden, möchten Nikolai Schukoff und Diana Damrau abschließend noch ein Tänzchen miteinander wagen.

 

Doch Emmerich Kálmáns melodiesatter Klassiker "Tanzen möcht´ich" aus der Operette "Die Csárdásfürstin" bleibt nicht der letzte drehintensive Moment des Abends.

 

©Simon Fowler

Denn danach erklatscht sich das Publikum der Elbphilharmonie noch lange und ausdauernd das Zugabenprogramm, bestehend aus "Dein ist mein ganzes Herz (Land des Lächelns / Lehár), "Meine Lippen sie küssen so heiß" ( Giuditta / Lehár) und "Lippen schweigen" (Die lustige Witwe / Lehár).

 

Die des Publikums schweigen allerdings nicht. Unfassbar, dass im kühlen Norden sich urplötzlich ein heißes, loderndes Temperament aufbäumt und sich in tobendem Applaus und stürmischen Beifallsbekundungen entlädt, wie man es normalerweise von der hanseatischen Zurückhaltung überhaupt nicht gewohnt ist.

 

Wie war das gleich nochmal mit der Operette? Kann es sein, dass dieses sehr vernachlässigte Genre einfach nur eine Spezialbehandlung in Form von großer Kunst benötigt. Kein bisschen ist es abgeschmackt, unzeitgemäß oder gar verstaubt. 

 

Vielmehr ist es so lebendig, geistreich und voller Verve wie seine Künstler, die es erheben und erhöhen. Diana Damrau und Nikolai Schukoff haben an diesem unvergesslichen und sehr energiegeladenen Abend zusammen mit Dirk Kaftan glanzvolle Momente auf die Bühne der Elbphilharmonie gebracht, sodass man die "Tausend kleinen Englein" noch lange im Herzen, in der Seele und in den Füßen nachspüren wird.


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