Elīna Garanča entführt die Elbphilharmonie mit rassiger Leidenschaft in betörende Klangwelten

17. Januar 2024

Rubrik Konzert

©Sebastian Madej / Deutsche Klassik

Freude, Lebenslust! Wer an diesem Abend nicht den Weg in die Elbphilharmonie gefunden hat, ist selbst schuld. Mit "The Best of Elina Garanča" wird ein unvergesslicher Abend zum krönenden Höhepunkt einer Diva, die zurecht die großen Bühnen dieser Welt mit ihrem wahnsinnig schönen Gesang verziert.

 

Im ersten Programmteil gibt die aparte Erscheinung französische Arien der Komponisten Charles Gounod und Camille Saint-Saens zum Besten.

 

Und das tut sie mit ausgesprochener Innigkeit. Doch zuvor erleben wir Hector Berlioz "Marche hongroise", der mit spritziger Leichtigkeit und eleganter Taktstockführung von Karel Mark Chichon zum Leben erweckt wird. 

 

Leichte Linien, zart durchwirkte Klangfarben, ein schwebendes Gebilde aus ineinander fließenden, zart schmelzenden Tönen, die am Ende wie ein pastelliges Aquarell auf den Zuhörer wirken müssen.

 

Herrlich ist dieses orchestrale Bildnis, das sich in seinen letzten Akkorden kunstvoll aufhebt.

 

Was für eine Grande Opéra! Mit Chichons raffiniertem Dirigat gelingt ein musikalisches "Amuse-Gueule", das Lust auf noch mehr französisches "Savoir-vivre" macht.

 

Doch dann betritt sie die Bühne. In einem wallenden schwarzen Satinkleid, mit weiten Ballonärmeln und einem königlichen Ausschnitt à la Marie-Antoinette, der die Makellosigkeit ihrer alabasterfarbenen Haut betont herausstellt: Elina Garanča!

 

©Sebastian Madej / Deutsche Klassik

Ein kurzes Luft anhalten. Dann regt sich die Stimme Garanča, schwingt sich souverän auf in kristallklare Höhen, schmeichelt, umschmeichelt jeden Ton, leise, sanft, intensiv und so innig, dass die melodiöse Melancholie immer mehr wie eine reife Frucht zu  voller Pracht heranwächst.

 

Noch viel deutlicher dringen jedoch die melancholischen Facetten in Saens "Mon coeur s´ouvre à ta voix" an die klangfarbliche Oberfläche. Elina Garanča gestaltet diese Arie mit Inbrunst und einer verklärten Entrücktheit, dass man das Auditorium mit jedem verklingenden Ton scheinbar kleiner, intimer und stiller wahrnimmt.

 

Beim "Tête-à-Tête" mit der großen Künstlerin. Viel treffender wäre dieser Programmtitel gewesen, denn die Mezzosopranistin berührt an diesem Abend  zutiefst.

 

Dabei dringt ihr edles Vokalinstrument bis in den letzten Winkel des Auditoriums. Kraftvoll, stark und zuweilen stoisch strahlt und strömt es in den Saal. Klar und deutlich vernimmt man jeden ihrer Töne.

 

Von nachtblauen Facetten sind ihre ausgewogen und angenehm timbrierten Tiefen, ihre satte Mittellage glänzt warmhölzern und besticht durch eine reife Eleganz. All das wird nur noch übertroffen von lupenreinen Höhen, die mit ganz wenig Vibrato gestemmt werden.

 

Es ist einer dieser Gänsehautmomente, der langsam und mit prickelndem Genuss den Rücken hochkriecht und einem plötzlich wie eine kribbelnd heiße Welle überkommt.

 

©Sebastian Madej / Deutsche Klassik

©Sebastian Madej / Deutsche Klassik

Genau dieser Moment erfährt ein "Deja vu", wenn Garanča ihre Paraderolle zum Besten gibt. Doch dazu später mehr. 

 

Just nach der Pause wird es rassig. Lodernde Leidenschaft und temperamentvolle Explosivität brechen sich mit der spanischen Operettengattung "Zarzuela" Bahn.

 

Elina Garanča ist in ihrem Element. Jetzt kann die versierte Opernsängerin zeigen, was ihre Stimme an ausdrucksstarker Flexibilität und aufgewecktem Interpretationsreichtum anzubieten hat. Und das ist eine ganze Menge.

 

Farbenreiche Koloraturen, rasante Presstisimi , dynamisch feine Konturen: Das spanische Vollweib schält sich  musikalisch-interpretatorisch mit Elina Garanča wie aus dem Nichts auf die Bühne des Geschehens.

 

Dagegen wirkt das Intermezzo mit der Ouvertüre des Johann Strauß-Klassikers "Der Zigeunerbaron" plötzlich etwas farblos. Was ist denn auf einmal los mit Chichons Dirigat?

 

Irgendwie kennt man das Operettenstück des Walzerkomponisten anders: Flotter, schneidiger und mit deutlich mehr Verve dargeboten, wirkt diese Interpretation völlig in die Länge gezogen, dynamisch undifferenziert, nicht ganz auf dem temporeichen Punkt und viel zu sehr an die lamentierende Dramatik der Oper angelehnt.

 

©Sebastian Madej / Deutsche Klassik

Sprudelnd, spritzige Walzerlaune gepaart mit feurig, lodernder Erotik - das ist es jedenfalls nicht, was Chichon da aufs "Tanzparkett" bringt.

 

Auch die darauf folgende "Musica proibita op. 5 des Komponisten Stanislao Gastaldon enttäuscht. So als hätte sich plötzlich die Luft im Saal verändert, scheint auch die Stimme der Mezzosopranistin von einem Sog flackernder Gehetztheit getrieben zu sein.

 

In den Höhen leicht überdreht, vielleicht sogar ein wenig hysterisch, das Vibrato zu präsent, mutet diese eigentlich lyrisch feinperlende Nummer nicht sehr sphärisch an. Das ist aber auch der einzige Wermutstropfen, denn was die Zugabensparte noch für ein Juwel aus dem tonalen Hut zaubert, bildet nun wirklich den krönenden Abschluss des Konzertes.

 

Als Carmen in der "Habanera" verwöhnt Elina Garanča ihr Publikum. Erotisch strahlt ihr Stimmmaterial. Mit jedem Ton verselbstständigt sich ihr verführerisches Temperament ganz nonchalant. Beinahe lässig singt die Mezzosopranistin diesen Klassiker und offenbart doch die ganze Palette ihres gesanglichen Genies.

 

Dabei dreht sie sich immer wieder in alle Richtungen des Saales, hält konstanten Blickkontakt zum Publikum, umrundet einmal das Orchester, haucht mal dem einen Instrumentalisten ein laszives Tönchen ins Ohr, dann dem anderen und bringt so das Publikum zum Lachen.

 

©Sebastian Madej / Deutsche Klassik

Unter die Haut gehen ihre exquisit leisen Töne, die lockend verführen, irisieren und absolute Erotik versprühen. 

 

Doch das Highlight kommt zum Schluss, nämlich in dem Moment, als die kühle Blondine ganz langsam und genüsslich das Dirigentenpult umrundet, Chichon dabei tief in die Augen blickt und dabei diesen letzten exponierten Ton ihrer Arie so dermaßen ausreizt, ihn hält und hält und hält, bis sie wieder vor dem Publikum angekommen, dem Schluss ein demonstratives Ende setzt. Das ist absolute Weltklasse!

 

Und auch das Publikum honoriert das ariose Sahnehäubchen mit frenetischen Bravi. Mittlerweile ist es außer Rand und Band. Trampelnd stürmt der Applaus die Bühne, immer stärker, immer intensiver und ist kaum noch zu bändigen.

 

Ein letztes Mal muss der Dirigent zum Taktstock greifen. Es bleibt ihm wahrlich nichts anderes übrig.

 

Was dann folgt, ist superb! Jaques Offenbachs "Cancan", so aufregend, temporeich und einheizend, dass man gleich im Takt der Musik mit wippen muss.

 

Dieser Abend! Ein Rausch der musikalischen Superlativen mit einem grandiosen Programm und einer Diva, die aus allen Poren ihrer Kunst gestrahlt hat.


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