wiener schmäh mit jonas kaufmann im theather im park

SPRITZIG, HEITER UND BESCHWINGT

13. Juli 2021

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Martin Felber

„Wenn der Herrgott nit will…", dann lässt er seine trübe Regensuppe über der Walzerstadt Wien auskippen. Schon den ganzen Vormittag scheint die grau marmorierte Wolkendecke nicht aufklaren zu wollen.


Doch just als um 18:00 Uhr der Münchner Tenor Jonas Kaufmann die Freilichtbühne im Theater im Park betritt, scheint nicht nur die Sonne, nein, auch ein rundum entspannt wirkender Tenor verliert sich in einem schier dauergrinsenden Zustand, wenn er nicht gerade singt.


Das musikalische Programm das neben Richard Strauss Liedern eine feine Auswahl an Wiener Gassenhauern und Operetten-Klassikern bereit hält, lässt auch gar nichts anderes zu, als vergnügt und heiter den lauen Abend bei Wein und Gesang zu genießen.


Volle Sektkübel zieren die Tische, die zwischen den einzelnen Sitzgruppen platziert praktischerweise auch gleich als coronakonforme Abstandshalter dienen. Sicherheit geht vor und das Vergnügen dabei ganz bestimmt nicht baden.


Während noch aus weiter ferne Kirchengeläut an mein Ohr dringt, die Grillen leise Zirpen und das Rauschen der nahe gelegenen Straßenbahnlinie dem Konzert unter freiem Himmel einen charakteristischen Freiluftanstrich verleihen, betritt auch schon der Tenor der Herzen die Bühne.

 

©Martin Felber

Gleich nach dem ersten Strauss Lied wird eifrig geklatscht, was Herrn Kaufmann dazu bewegt, einmal kurz und herzlich das Begrüßungswort zu ergreifen.


Gelassen erzählt er von seiner Berliner Waldbühnenerfahrung vor ein paar Jahren, den damaligen volatilen Wetterverhältnissen und dem damit verbundenen pausenlosen Marathonprogramm der tenoralen Superlative, das er damals bis 23.00 Uhr sogar noch mit etlichen Zugaben angereichert bis über das Limit ausgereizt habe. Und das wohlgemerkt ohne weitere regenintensive Unterbrechungen.


So legt er dann auch prompt los, um keine Zeit zu verlieren und singt den ersten Programmpunkt der 12 Richard Strauss Lieder in einem fort und ganz ohne Zwischenapplaus. Den hatte er sich bereits im Vorfeld beim Publikum höflichst ausgebeten.


Blumig, duftig und von einer beseelten Klarheit durchdringt der weiche, obgleich kräftige Klangschmelz Kaufmanns den lauschigen Park bis auf den letzten Platz. Sonor, ausgereift und von einer stimmlichen Vielschichtigkeit scheint Kaufmanns Vokalinstrument mit der Reife an Jahren noch ausgewogener, facettenreicher und stark konturierter zu klingen.

 

Tatsächlich wie aus einem Guss, so formvollendet legato, elegant und unaufdringlich leicht interpretiert der Stimmheld das eigens zusammengestellte Strauss-Repertoire, sodass man sich insgeheim wünscht, der ohrenschmeichelnde Klangzauber möge bitte nicht abreißen.


Von einer viel zu kurzen Konzert-Pause aufgescheucht, stolpern vereinzelt Zuschauer völlig überrascht von ihrem Gang zu den Getränkebars eilig und beinahe überrumpelt an ihre Plätze zurück.

 

Jetzt hat es den Kaufmann doch noch geritten, zügig seinen Konzertabend zu bestreiten, denn ein aufkommender Wind rauscht verdächtig laut im Gebälk der Showbühne.


Doch das Wetter hält. Ob es wohl an der positiven Ausstrahlung eines lausbübischen Tenors liegt, der mit seinem ins Gesicht gemeißelten Lächeln und seiner strahlenden Gesangsdarbietung nicht nur den Wettergott versöhnlich stimmt, sondern auch sein Publikum im Sturm zu erobern scheint?


Ganz sicher ist es wohl die Kombination aus allem, die nur noch vom musikalischen Sahnehäubchen des Abends überboten wird - dem Wiener Lied.

 

©Marcia M. / ORF 2 Interview im Theater im Park mit Jonas Kaufmann - Video über Youtube abrufbar

Raunend, zärtelnd und mit einem unglaublich intensiven Schmäh versprüht Kaufmann Heurigenatmosphäre par excellence. Dabei sitzt die Wiener Mundart passgenau, jede dialektische Nuancierung scheint bis ins letzte Detail feinjustiert.

 

Kaufmann ist für wahr ein Perfektionist und Meister seines Fachs und wirkt dabei dennoch locker, gelöst und nahezu tiefen entspannt.

 

Das sein schauspielerisches Talent dabei ebenfalls zur Höchstform aufläuft, ist an diesem Abend unverkennbar. Auch dass der Sänger bei allem Perfektionismus einmal Fünfe gerade sein lassen kann, beweist er schlicht und ergreifend beim Verpatzen seiner pfiffigen Einlage, die er „sich im Traum so hätte niemals erlauben dürfen“.


Aus dem letzten Loch pfeift es nunmehr hohl und... nun ja, tonlos. Das gab es so noch nie.

 

„Es geht nicht“, konstatiert ein verhinderter Pfeifakrobat, der um wirklich keine Ausrede verlegen, alles auf die wenig beanspruchte Längsmuskulatur seines Kiefers schiebt. Wer zu viel lacht, hat eben ganz eindeutig das Nachsehen beim Pfeifen und am Ende sogar noch sämtliche Lacher auf seiner Seite.


Beim „Kleinen Café in Hernals“ hingegen klappt es dann wie auf Kommando wieder ganz wunderbar mit dem kristallklaren Gezwitscher.

 

©Markus Wache / Theater im Park in Wien

Leicht, luftig und dahin geduftet, so erlebt man Kaufmanns Stimme an diesem lauen Sommerabend, selten jedoch so frei und ungezwungen in deutschen Konzerthäusern. Nur in Wien, da "peteralexandert" der Weltstar so authentisch auf seine sehr eigene Art, die ganz in Bonvivant-Manier Persönlichkeit und Musik zu einer unverwechselbaren Einheit formvollendet miteinander verschmelzen lässt.


Kaufmann ist ein echtes Original, wenn auch kein Wiener Original, dann zumindest der beste singende Exportschlager, den die Wiener jemals mit einem „Reinschmeckten“ Bayern bekommen konnten.


Eine musikalische Punktlandung, wie sie sich für Wiener Verhältnisse gewaschen hat, erzielt der unangefochtene Tenorkönig zum krönenden Abschluss des unvergesslichen Konzertabends mit einem echten Überraschungsbonbon: Bei „I bin a stiller Zecher“ mimt Kaufmann überladend heiter bis fast schon feucht fröhlich einen stark Angetrunkenen.

 

©Markus Wache / Theater im Park in Wien

Mit breitem Dialekt und einem Weinglas in der Hand säuselt er dabei selig lallend, mal kraftvoll laut, dann wiederum leise abebbend den Leopoldi Gassenhauer ins Mikrofon und jodelt sich "Hollari Hollaro" in die Herzen des enthusiasmierten Publikums, das vor Begeisterung klatschend unisono in den Rhythmus einfällt.


Das auch die samtig leisen Töne zu einem weiteren Spezialgebiet des Tenors gehören, ist längst kein Geheimnis mehr. Mit Leopoldis „Alten Herrn Kanzleirat“, scheint Kaufmann das Vergnügen am reduzierten Klangvolumen vollends auszukosten.


Behutsam, sanft und entrückt erzählt er beinahe summend die Geschichte des alten, einsamen Herren, der sich doch auch „a bisserl“ nach der Liebe sehnt. Gerne nimmt man dem Tenor jede Gefühlsregung ab, die vor tief empfundener Sentimentalität längst in "Weltschmerz-Sphären" entgleitet.

 

Seufzend verklingt der letzte Ton mit einem melancholischen Hauch von Nichts.

 

Dankend und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen verabschiedet sich Jonas Kaufmann nach insgesamt fünf Zugaben und einem bittersüßen, leisen Servus von seinem Wiener Publikum, das ihm so ganz und gar ans Herz gewachsen scheint.


Auch ich kann mich nur widerwillig aus dieser konzertanter Seligkeit lösen, die mir Leichtigkeit, höchsten musikalischen Genuss und eine gehörige Portion Unbeschwertheit beschieden hat.


Ach...! Und das Wiener Lied. Wie sehr ich es doch vermissen werde.


Das Theater im Park mit seiner neuen Wiener Freiluftbühne bietet seit Juli 2020 ein vielfältiges Programm, bei dem auch der klassische Musikgenuss nicht zu kurz kommt.

 

Wer den Wiener Liederabend mit Jonas Kaufmann am  11. Juli 2021 nicht live miterleben konnte, kann sich für den 08. August 2021 noch Karten besorgen.

 

Die lauschige Stimmung unter freiem Himmel und das  musikalisch untermalende Grillengezirpe machen dieses "Outdoor-Event" zu einem ganz besonderen Highlight in einer Zeit, die kulturelle Vielfalt immer stärker unterbindet.

 

Das Theater im Park in Wien ist eine fantastische Option, noch bis Ende September Unterhaltung, Musik und Theater hautnah zu erleben.

©Gregor Hohenberg / Sony Classical


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