Paradiesische Klänge beim Abend für Monteverdi mit Rolando Villazón in der Semperoper

05. Mai 2023

Rubrik Konzert

©Klaus Gigga / Semperoper

Wo soviel Schönheit weilt, da lass Dich nieder. Bei einem Abend in der Semperoper in Dresden kann es einem tatsächlich passieren, dass man verzaubert vom virtuosen Schöngesang, das Paradies auf Erden hinter dem reich verzierten Schmuckvorhang vermutet, der das Prachtstück des altehrwürdigen Musentempels bildet und omnipräsent die große Bühne in ganzer Länge und Breite ausfüllt.

 

Doch halt! Die Musik am heutigen Abend spielt sich lauttenmalerisch vor dem eindrücklichen Wandvorhang ab, denn kein anderer als der weltbekannte Tenor Rolando Villazón lädt auf einen Exkurs in die musikalischen Gefilde des Komponisten Claudio Monteverdi ein, ein tonaler Kosmos in sich, der auf die Anfänge der Operngeschichte zurückgreift und seine Zuhörer tatsächlich auf eine faszinierende Zeitreise in die Vergangenheit einer ehemals höfischen Musikkultur entführt.

 

Begleitet von der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner erwecken Rolando Villazón und die Solisten Nikola Hillebrand, Štěpánka Pučálková und Joseph Dennis  für fesselnde 120 Minuten ein einzigartiges Genre auf erfrischend gegenwärtige Art zum Leben, das sich normalerweise eher klangvoll untermalend als denn fesselnd, berührend und emotional entwaffnend gibt.

 

Das Monteverdis Musik ganz eindeutig auch auf der Gefühlsebene zu einen sprechen kann und nicht allein die hohe Kunst der "Seconda practica" zelebriert, das beweisen uns die vier darstellenden Künstler mit interpretatorischem Genie und emotional beseeltem Tiefgang.

 

©Klaus Gigga / Semperoper

©Klaus Gigga / Semperoper

Obgleich Joseph Dennis gesundheitlich angeschlagen seinem Auftritt im wahrsten Wortsinn entgegenfiebert, gelingt ihm dennoch das in den Musikkosmos Monteverdis einführende Duett "Interrotte speranza" zusammen mit Rolando Villazón ausgezeichnet.

 

Irisierender Zweiklang streichelt das Gehör harmoniesatt und macht nun immer neugieriger auf das Faszinosum der Alten Musik.

 

Angenehm durchbrochen von den heiter und nahezu beschwingten orchestralen Intermezzi der Lautten Compagney Berlin, findet nach fast jeder gesanglichen Einlage ein "Bäumchen-wechsel-Dich-Spiel" der Instrumentalisten statt, wohl um aus den jeweiligen Musikstücken das akustische Optimum herauszuholen.

 

Und mittendrin sitzt, wenn er gerade nicht singt, Rolando Villazón, der das geschäftige Treiben auf der Bühne gelassen beobachtet. Doch wenn Señor 100.000 Volt den Frühbarock aus seinem Dornröschenschlaf holt, dann ist es mehr als bloßer Schöngesang.

 

Leidenschaftlich und mit Verve schafft es der charismatische Opernsänger jedem Stück Ausdruck und emotionale Saturation zu verleihen. Viel lebendiger und unglaublich gegenwärtig klingt es dann, wenn Claudio Monteverdis Erbe erfrischend jung und dennoch unverfälscht, authentisch barock in das Auditorium dringt.

 

Rolando Villazón versteht dieses Fach nicht nur ausgezeichnet, er scheint es ganz offensichtlich mit jeder Faser vokaler Leidenschaft auszuleben.

 

©Klaus Gigga / Semperoper

Dass er sich junge und besonders vielversprechende Solisten an seine Seite geholt hat, bereichert nicht nur das Programm, sondern macht den gestaltungsintensiven Abend zu einer kaleidoskopisch berauschenden Klangfahrt, die gleich im ersten Programmteil mit der prachtvollen Stimme der Mezzosopranistin Štěpánka Pučálková in höhepunktreifer Gesangsakrobatik ausartet.

 

Was für ein warmgoldener Klangschmelz, der das Gehör schmeichelnd umhüllt. Raumgreifend und von opulenter Eleganz strömen die Töne der Mezzosopranistin einer nach dem anderen unangestrengt durch strahlend satte Höhen und saturierte Tiefen, so selbstverständlich wie die äußerst biegsam erscheinenden, zart flimmernden Ribattute.

 

Was Vokalakrobatik alles kann, wenn Virtuosität mit im Spiel ist. Und das kann man gleichermaßen von der Sopranistin Nikola Hillebrand behaupten, die mit ihrem schimmernden Vokalinstrument irisierende Klänge von sphärischer Schönheit und tiefer Beseeltheit produziert.

 

Ganz besonders wird das im Duett "Pur ti miro" aus dem 3. Akt von "L´incoronazione die Poppea" offensichtlich. Betörend tragen die schmeichelnden Töne der Sopranistin kristallklar und weich in den Raum und verflüchtigen sich dort in hauchzarter Textur schwebend langsam.

 

Und ein Rolando Villazón steht in dem Moment nur stumm und staunend daneben und bewundert ganz zu Recht fasziniert das zauberhafte Wesen an seiner Seite, das in seinem roten Spitzenkleid einer erblühenden Rose gleich kommt.

 

Ja, Nikola Hillebrand ist nicht nur ein Ohrenschmaus. Ein Augenschmaus ist sie wohlgemerkt auch.

 

©Klaus Gigga / Semperoper

©Klaus Gigga / Semperoper

Und was das Debüt der Lautten Compagney Berlin an der Semperoper betrifft, so kann man den orchestralen Auftritt, der sehr viel Bewegung mit ins Spiel gebracht hat, als absolut gelungen bezeichnen, auch wenn die Tempi an der ein oder anderen Stelle für meinen Geschmack hätten etwas langsamer gestaltet werden können.

 

Alles in allem hat sich dieser Abend an der Semperoper mehr als gelohnt, was sich auch im stürmischen Applaus des Publikums eindeutig zeigt. Beifallsbekundungen ohne Ende, nicht abebben wollende Begeisterung. Und ein Rolando Villazón der wohl nicht umhinkommt, noch eine Sohle aufs Parkett zu legen.

 

Mit einem abschließenden volkstümlichen Madrigal erlebt das Publikum noch einmal ausgelassen temperamentvolle Stimmung. Wer möchte da nicht auch gerne mittanzen, wenn schon die Künstler auf der Bühne ein Kribbeln in den Tanzbeinen verspüren und anfangen, sich dem Rhythmus der Musik uneingeschränkt hinzugeben.

 

Was für ein herrliches musikalisches Ereignis, dass alle Sinne angesprochen und Augen und Ohren weit geöffnet hat.

 

©Klaus Gigga / Semperoper


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