Seda Amir-Karayan verzaubert die Elbphilharmonie mit LIebesliedern und armenischen volksweisen

30. April 2023

Rubrik Konzert

©Vahan Stepanyan

Frauenliebe und -leben: Unter diesem musikalischen Motto findet am heutigen Abend ein ganz besonderer Liederabend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie statt.

 

Mit der international gefeierten Konzertaltistin und Liedsängerin Seda Amir-Karayan erlebt der Zuhörer ein mit Bedacht selektiertes Programm, in dem Lieder von Robert Schumann, seiner Frau Clara und Hugo Wolf zum zweifelsohne Besten gegeben werden.

 

Seda Amir-Karayan versteht es von der ersten Sekunde an, ihr Publikum in den Bann zu ziehen und sich mit leidenschaftlicher Verve in die wohl schönsten Liebeslieder klangmalerisch zu versenken.

 

Überhaupt ist man sehr erstaunt, wie intensiv sich die Altistin mit dem Liedrepertoire auseinandersetzt. Charismatisch und mit einer anziehenden, sehr gewinnenden Persönlichkeit entertaint die Liedinterpretin dabei nicht nur auf gesanglich hohen Niveau, sondern versteht es sogar noch rhetorisch geschickt und mit geschichtenerzählerischen Qualitäten jeden einzelnen Liedzyklus vorab anzumoderieren.

 

Das macht es dem nicht so versierten Konzertgänger einfach, sich praktisch mühelos in das Liedrepertoire hineinzudenken und es in seiner Gänze vollumfänglich zu durchdringen.

 

Was für eine lockere Atmosphäre, in der man der quirlig wirkenden Frohnatur beim gesanglichen und gesprochenen Vortrag zuhört und tatsächlich den untrüglichen Eindruck erhält, dass aus allem, womit sich Seda Amir-Karayan musikalisch auseinandersetzt, sehr viel Leidenschaft, Liebe und Identifikation zum Genre erwächst. 

 

©Vahan Stepanyan

Unglaublich aber ist ihre feinnuancierte Stimme, die ruhig strömend Klangfarben von irisierender Schönheit freilegt. Dabei setzt die Sängerin an gebotener Stelle auf die Intensität der leisen Töne. So hauchzart wie eine sanfte Berührung dringt die tönende Luft mit leuchtender Brillanz in den Kleinen Saal der Elbphilharmonie.

 

Ein wenig hypnotische Verführung scheint offensichtlich auch mit im Spiel zu sein, denn kaum, dass ein Ton verklungen ist, wartet man gebannt auf den nächsten und mag sich dabei auf seinem Stuhl kaum noch rühren wollen, so hoch konzentriert ist alle Aufmerksamkeit auf die strahlende Persönlichkeit auf der Bühne gerichtet.

 

Jeder Ton scheint eine einzige Offenbarung zu sein. Jede Phrase kommt einer gelebten Erfahrung gleich. Aus dem Munde der Seda Amir-Karayan schwappen die Emotionen in wellenartigen Klangpoesien an die Oberfläche der Wahrhaftigkeit, wirklich und wahrhaftig!

 

Genau diese Authentizität, dieses gelebte Gefühl, verpackt in vokale Magie, macht einen Liederabend wirklich zu etwas Einzigartigem.

 

Doch bei aller Schumann-Verliebtheit und Liebäugelei mit dem deutsch-romantischen Genre verlangt doch der Abend nach einem inkludierten i-Tüpfelchen zur krönenden Umrandung des thematischen Programms.

 

©Vahan Stepanyan

Und tatsächlich hat Seda Amir-Karayan eine Auswahl populärer Volkslieder des Komponisten Komitas Vardapet aus ihrer armenischen Heimat im Gepäck, ebenfalls Liebeslieder, die aus dem Volksmunde geboren in kompositorische Kunstlieder umgewandelt wurden.

 

Spätestens jetzt spürt man die freudige Aufregung der Liedinterpretin deutlich zutage treten. Die armenischen Lieder, die, wie sie selbst bestätigt, Teil der persönlichen ID eines Armeniers sind, bedeuten ihr augenscheinlich ganz viel, wenn nicht sogar alles. Das berührt, erfreut und macht neugierig auf das, was just im nächsten Moment kommen mag.

 

Wie aus einer anderen Welt, zuerst ungewohnt klingend, hört man den kirchlich anmutenden Klängen aufmerksam zu. Obgleich das Ohr ein wenig mit dem Liedgut fremdelt und sich erst noch in die Melodik reinhören muss, beschreibt der beseelte Gesang der Altistin eine Tonpoesie, die sich ganz wunderbar mit den vorangegangenen Liedzyklen vereinbaren lässt.

 

Denn Musik ist eine universelle Sprache, die jeder spricht und jeder versteht, auch wenn sie aus einem anderen als dem eigenen Kulturkreis erwachsen ist. Das versteht auch der kongeniale Liedbegleiter Götz Payer, der mit umsichtiger klaviertuoser Hand den Gesang der Altistin nicht nur auf Händen trägt, sondern untermalend emotionale Temperaturen kreiert, die für atmosphärisches Momentum sorgen - und ganz ohne große Worte auskommen können.

 

Was für ein exquisites Team. Was für ein gehaltvoller Liederabend, übervoll mit beglückenden Momenten.

 

Und wie schön, dass Seda Amir-Karayan heute Abend diesen außergewöhnlich kulturellen Brückenschlag so künstlerisch formvollendet gemeistert hat. Bravo!


Auf ihrer CD-Einspielung "Wehmut" präsentiert die armenische Altistin Seda Amir-Karayan Lieder von Schumann, Komitas und Mahler. Eine gelungene Kompilation, die auch ihren armenischen Wurzeln eine musikalisch bedeutende Bühne bereitet.

 

Begleitet von Götz Payer mit umsichtiger klaviertuoser Hand, gestalten sich die Interpretationen zu einer intimen Melange der Sinne!  

 



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