The Art of Waltraud Meier - Ein Star verabschiedet sich von der Opernbühne

22. Januar 2023

Rubrik Konzert

©Nomi Baumgartl

Abschiede fallen schwer. So auch an diesem besonderen Abend an der Staatsoper Hamburg. Zelebriert wird dort der letzte Auftritt der international gefeierten Mezzosopranistin Waltraud Meier in der Hansestadt. Und zwar mit einem exquisiten Programm, das höchst wirkungsvoll in Liedwerken der Komponisten Strauss, Brahms, Mahler, Schumann und Schubert zur Geltung kommt.


An ihrer Seite hat sich die 67-jährige den jungen Bariton Samuel Hasselhorn unterstützend auserkoren, der zur großen Überraschung jedoch den Großteil des gesanglichen Rahmens steckt.


Und das mit ausdrucksstarker Verve, jugendlich frischer Eleganz und einem herausragend balladenhaften Erzählvermögen, wie man es längst nicht von allen gegenwärtig erfolgreichen Liedinterpreten auf dem Silbertablett serviert bekommt.


Anstatt „The Art of Waltraud Meier“ hätte es daher glatt „The promising Art of Samuel Hasselhorn“ heißen müssen, denn was der vielversprechende Bariton mit gesanglich beseelter Durchschlagskraft, einer außerordentlich starken Bühnenpräsenz und einem baritonal warmgoldenen Klangschmelz darbietet, verführt und entführt das Publikum gleichermaßen auf eine tonpoetische Reise mit spannungsintensiven, tonal farbenreichen Momenten.


Doch auch Waltraud Meier berührt zutiefst mit einer reichhaltigen Auswahl ihrer Lieblingslieder. Richard Strauss´ Morgen und Zuneigung sorgen dabei für ein absolutes Gänsehautgefühl, das nicht aufhören will, einem prickelnde Schauer wohlig warm den Rücken rauf und runter zu jagen.


Auch wenn die Stimme reif und dem Alter der Sängerin entsprechend fragiler anmutet, so liegt in ihr eben auch ein einzigartiger Charme. Auffallend schön, gerade weil ihr ein Stück weit Vergänglichkeit anheimgefallen ist, aus der sich immer noch die strahlende Kraft der Jugend herauszukristallisieren vermag, erlebt das Publikum einen unvergesslichen Abend, der unvergleichbar in seiner Art bleiben wird.


Während Samuel Hasselhorn, Kraft seiner jungen Jahre, nur so vor vokaler und darstellerischer Energie strotzt, staunt man dennoch über die erfahrene Liedinterpretin, die auch in den gemeinsamen vokalen Begegnungen mit dem Jungspund einen bemerkenswert bleibenden Eindruck hinterlässt.

 

©Nikolaj Lund

Mithalten kann Waltraud Meier immer noch. Dafür hat sie wohl lang genug auf den Bühnen dieser Welt gestanden. Und was die Stimmpotenz altersbedingt einbüßt, machen Innigkeit und elegante Finesse im gesanglichen Ausdruck locker wieder wett.


So gelingen in Mahlers intelligent humorvollen Liedern wunderbar ausgestaltete Dialoge, die einem interpretatorisch amüsanten Schlagabtausch gleich kommen.

 

Und zwischendurch wird im Auditorium immer wieder mal gelacht - und das durchaus gehäufter. Schon jetzt habe ich Waltraud Meier in mein Herz geschlossen. Wie bedauernswert, dass sie ihre Opernkarriere nun leider beendet, bevor ich überhaupt die Chance bekomme, tiefer in das künstlerische Schaffen dieser herausragenden Persönlichkeit einzutauchen.


Und auch das Publikum kann sich nur schwer von der Künstlerin lösen, die am Ende des Abends mit Standing Ovations nur so überschüttet wird.


Lange lässt sie sich dabei nicht bitten und versüßt ihrem Publikum den Abschied mit einer ganz besonderen Zugabe. Als die ersten klaviertuosen Akkorde erklingen, ahnt man bereits, welch düstere, hochdramatische Liedkomposition sich die Sängerdarstellerin für ihren fulminanten Abgang auserkoren hat.


Es ist Schuberts Erlkönig, die schaurig-schöne Geschichte, die einem Sänger die vielleicht höchste tonmalerische Erzählkunst abverlangt.


So hören wir durch Waltraud Meiers vokales Sprachrohr mal den besorgten Vater, dann den listig bösen Erlkönig und dann wiederum die angsterfüllte, panische Stimme des lebensbedrohten Kindes erklingen. Jetzt wird einem mulmig ums Herz.

 

Die Nackenhaare stellen sich einem auf, wenn man allein vom Zuhören eine höchst unangenehme Gänsehaut bekommt.

 

©Nomi Baumgartl

Als der Vater so spät durch Nacht und Wind reitend feststellen muss, dass sein Kind bei seiner Ankunft im sicheren Hort bereits tot ist, spuckt Waltraud Meier effektvoll mehr gesprochen als gesungen das fatale letzte Wort aus.


Ich bin erschüttert, es packt mich der Graus am ganzen Körper. Waltraud Meier ist eine fantastische Geschichtenerzählerin mit gesanglichem Tiefgang, auch wenn ich zuerst nicht glauben wollte, dass eine Frauenstimme diese grausame Geschichte ebenso farbenreich und ausdrucksstark darbieten kann wie es nun mal die kraftvolle Erzählkunst eines Samuel Hasselhorns vermag.


Applausstark geht der Abend zu Ende. Das war der letzte Auftritt einer großartigen Stimme.


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