25. Juni 2025
Rubrik Oper
©Werner Kmetitsch
Schön ist die Welt, wenn doch nicht immer alles so eine "Verwechslungsdramödie", pardon Komödie sein würde. Ja, Sie haben schon richtig gehört. Zwar wird es nicht "dramatisch, dramatisch" in dieser leichten aller schweren Musen, dennoch zeigt sich Franz Lehárs komplexes Operettenwerk "Schön ist die Welt" mit Tiefenwirkung und gesellschaftskritischer Note.
Wie immer geht es bei dieser unterhaltungswirksamen Dosis vermeintlicher "Heile-Welt-Nostalgie" um ein Liebespaar, das sich über ganz viele Irrungen und Wirrungen erst noch finden muss.
Von Nicole Hacke
Unmöglich scheint die Verbindung noch am Anfang. Schließlich wird der gesellschaftliche Druck von außen so dermaßen erhöht, dass man zuerst glauben will, zwischen den beiden zart Verbandelten auf der Bühne wird nichts Weltbewegendes passieren können.
Doch widrige Umstände, in dieser Operette primär dem stürmischen Wetter in schwindelerregender Höhe geschuldet, vermögen das Glück in eine Lawine zu transformieren, die wahrlich Berge versetzen kann.
Während zwei Verschollene gesucht werden, sich ein anderes Pärchen heimlich längst gefunden und für immer und ewig miteinander verbandelt hat, spielen Standesunterschiede und Elitarismus Jahrmarkt der Eitelkeiten miteinander.
Schach matt ist am Ende niemand. Alle gewinnen, vor allem natürlich die Liebe, die sich als Grenzsprenger über jeglichen Gesellschaftskonformismus nonchalant hinwegsetzt.
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Ja, genau so muss Operette sein. Leicht im Genuss und dennoch ein bisschen schwer im Abgang. Denn eines sollte doch jedem klar sein, wenn er meint, die leichte Muse könne nur seicht und unterhaltsam Herzen in Schwingungen versetzen; hier geht es um Themen, die die Welt bewegen und nicht ausschließlich darum, dass ein ernstes und ein heiteres Pärchen ihre leidenschaftlichen Liebschaften gegen den Rest der Welt wie ein schillernd farbenrauschintensives Feuerwerk entzünden.
Es geht nämlich nicht darum, dass sie es tun, sondern wie sie es tun!
Zwar erlebt der Zuschauer auf leicht veranschaulichte Weise, wie das heitere Pärchen ganz emanzipiert miteinander umgeht, wie die Frau ganz selbstbewusst, unabhängig und selbstverständlich ihre Erwartungen an die Liebe und an die Ehe einfordert, wie sie nicht lange herumfackelt und proaktiv ihr Ding macht; natürlich alles mit einem Augenzwinkern versehen, aber dennoch unglaublich für eine Zeit in der die Marlene-Hose noch in den Kinderschuhen steckte und sich an Frauenbeinen erst noch ausprobieren musste.
Was damals schier revolutionär und heute fast immer noch nicht als selbstverständlich durchgeht, damit statuierte die Operette frivol und keck und dennoch überaus charmant ein Exempel.
Verspielt, romantisiert und ein wenig verklärt wirkt das Bühnenbild, aufgeklärt und abgeklärt die Themen innerhalb der Handlung, die sogar die freie Liebe subtil zur Schau stellen.
Oder ahnt man etwa nicht auf Anhieb, was sich wohl hinter einem überdimensionierten Schlüsselloch abspielen mag, durch das der auf- und ab wippende Hinterkopf einer Frau zum Vorschein kommt.
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Dem entgegen steht die Ernsthaftigkeit und die Überhöhung der romantischen Liebe, so wie sie eben nur im Bilderbuche existieren kann. Oder aber sie wirft in ihrer Konventionalität einen starken Anker, an dem man sich in turbulenten Zeiten zuversichtlich festklammern kann.
Wie auch immer! Lehárs Operette ist ein offenes Buch für mannigfaltige Interpretationsspielräume, die auch inszenatorisch gut zur Geltung kommen, der liebevoll detailtreuen Ausarbeitung von Florian Kutej sei Dank. Zwei Schauplätze: der eine in einem Grand Hotel verhaftet, der andere "Hoch droben auf dem Berg" unter dem Sternenzelt, frei, ungezwungen und fernab der erdrückenden Zivilisation. Dort, wo die Welt noch heil und einfach wunderschön ist.
Schnell kommt man ins Schwärmen, fühlt sich der Welt entrückt, verzaubert und irgendwie angenehm gefangen in einem Kokon nostalgiegeschwängerter Sehnsucht.
Potenziert wird dieses kurzweilige, spannungsreiche Operettenerlebnis nur noch durch seine fantastischen Sängerdarsteller, die es allesamt verstehen, Charakterfiguren genussvoll zum Leben zu erwecken.
So erinnert Martin Fournier gleich zu Beginn seines Auftritts im ersten Akt an den singenden Oberkellner Leopold, der in seiner "Aber-bitte-meine-Herrschaften-Manier" die Hotelmeute zu besänftigen versucht. Ein herrlich amüsanter Auftakt zu einer musikalischen Märchenerzählung, die ganz plötzlich im 2. Akt einer opernhaften Grandezza weicht.
Leichte Muse ade, ein Hoch auf die äußerst komplexen kompositorischen Strukturen, derer sich Lehár in der Lawinenszene bedient. Auf einmal hört man es grollen, donnern, stürmen, brausen, aufbrausen und herniedergehen. Ein Schneegemenge in so geballter Ladung, dass man meint, der Orchestergraben hätte sich in der Anzahl seiner Instrumentalisten im Nu verdoppelt.
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So intensiv und musikalisch tiefschürfend habe ich die Operette bislang noch nie empfunden. Großartig und zutiefst berührend schleicht sich auch das Protagonisten-Pärchen ganz sanft und liebevoll in mein Herz. Richard Samek, der als Kronprinz Georg brilliert und Corina Koller, die als Prinzessin Elisabeth von und zu Lichtenberg verzaubert, krönen die Operette mit ihren jeweils elegant strömenden Stimmen.
Ihr Gesang schmeichelt, verführt, lockt und lässt die Seele in genau den richtigen Momenten vor Sehnsucht vergehen. Herrlich, wie leichtfüßig, schwebend, duftig zart, kraftvoll schmetternd, hell und leuchtend die beiden Stimmen im harmonischen Wechselspiel einander necken, liebkosen und voller Wärme anstrahlen. Was dem Ganzen die Krone noch zusätzlich aufsetzt? Das hautnahe Parketterlebnis, wenn beide Sängerdarsteller sich plötzlich unter das Publikum mischen und ihre geballte Stimmkraft voluminös in das Auditorium entströmen lassen.
So und nur so muss Operette sein. Tausend Prozent Hingabe für dieses Sujet und es fliegen die Funken in Multifacetten. Ein Traumpaar geben ebenfalls Ivan Orescanin und Katharina Linhard, die darstellerisch famos und gesanglich beflügelt durch den opulent ausgestalteten Dreiakter zu schweben scheinen.
Alles passt an diesem Abend in der Oper Graz. Dass die Welt dabei nicht immer schön ist, vergisst man schnell, wenn man noch dazu dem so dynamisch feindifferenzierten Dirigat von Stefan Birnhuber lauschen darf. Die Welt ist schön. Man muss einfach nur ganz, ganz fest daran glauben. Und mit so einer kraftvollen musikalischen Aussage wird dann auch das Märchen zum wahrhaft unvergesslichen Glücksmoment.