Thalbachs märchenhafte Neuinszenierung der Aida an der SemperOper

28. März 2022

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Semperoper / Ludwig Olah

Aida, eine märchenhafte Erzählung der Katharina Thalbach. An der Semperoper in Dresden ist der deutschen Schauspielerin, die für die Regie der aufwendig ausgestalteten Neuproduktion des Verdi Epos verantwortlich zeichnet, ein ganz großer Wurf gelungen.

 

Und nicht nur, weil sie gegen den Trend der modernen Inszenierung schwimmend ein güldenes Spektakel aus quasi Tausend und einer Nacht auf die Beine gestellt hat, sondern weil es ihr mit gerade diesem Regiekonzept ausgesprochen gut gelungen ist, Handlung und Musik zu einer formvollendeten Einheit verschmelzen zu lassen.

 

Noch nie zuvor habe ich die Musik dieser Oper so tief durchdrungen, noch nie hat sie mich so verzaubert und verführt wie eben in dieser sagen wir mal altmodischen Produktion.

 

Vielleicht ist Frau Thalbach einfach auch ein altmodisches Mädchen. Vielleicht aber braucht dieses Melodram nicht viel mehr als die Verdichtung von Musik und Handlung, um einen perfekten dramaturgischen Spannungsbogen zu kreieren, der sich nahtlos von der ersten Sekunde bis zum letzten Schlussakkord stringent durch das packende Bühnenwerk zieht.

 

©Semperoper / Ludwig Olah

©Semperoper / Ludwig Olah

Augen und Ohren sind mir jedenfalls übergegangen, als ich gleich zu Beginn des 1. Aktes feststellen durfte, mit wie viel Feingefühl die Musik Verdis durch die ästhetische Bildsprache der Bühnenlandschaft auf Händen getragen wird, wie verständlich sie über die szenische Ausgestaltung in den Vordergrund rückt, welche musikalischen Dynamiken die ausgeklügelte Regie orchestral und vokal bei den Sängerdarstellern freisetzt.

 

Zu interpretieren gibt es an diesem erinnerungswürdigen Abend wirklich nichts. Diese Inszenierung lädt einfach nur zum Genießen und Träumen ein und wirkt als Gegenpol zur aktuellen politischen Weltlage geradezu balsamisch auf Herz und Seele.

 

Große Szenen, ägyptische Fresken, schillernde Kostüme, laute und besonders leise Töne, viele bewegte Bildsequenzen, die nicht etwa durch kinematografische Effekte erzeugt werden, sondern durch die choreografisch detailverliebten Tanzeinlagen, setzen dem Handlungsstrang genau dort Akzente, wo lediglich das Orchester als klangmalender Brückenbauer der Erzählung Lebendigkeit einhaucht.

 

Zu schön sind die wahrhaft goldenen Momente, um wahr zu sein. Und eigentlich passt dieses Märchen der Frau Thalbach so gar nicht in unser aktuelles sozialgesellschaftliches Zeitgeschehen, denn für Märchen ist gerade jetzt überhaupt kein Platz  - oder etwa doch?

 

©Semperoper / Ludwig Olah

©Semperoper / Ludwig Olah

Träumen wir nicht alle von einer besseren Welt, von einem besseren Leben in Frieden und Freiheit? Und sind es nicht genau jene Träume, welche in dieser Inszenierung so lebendig und konturiert an die Oberfläche dringen, uns verführen, verzaubern und uns Hoffnung geben, dass am Ende alles gut wird, auch wenn für die beiden Hauptprotagonisten Radamès und Aida kein einziger Hoffnungsschimmer in Sicht ist.

 

Zumindest sterben die Liebenden in Dur! Nicht hochdramatisch, nicht leidend oder tief verzweifelt, sondern versöhnt mit der Welt und ihrem Schicksal, nahezu transzendent verklärt und der Welt entrückt.

 

Was Katarina Thalbach so grandios in Szene gesetzt hat, wird nur noch durch das i´Tüpfelchen der sängerdarstellenden Zunft gekrönt. Franceso Meli und Krassimira Stoyanova in den jeweiligen Rollenpartien des Radamès und der Aida glänzen in ihren absolut zartbesaiteten Charakteren.

 

Obgleich Franceso Meli nicht konstant durch alle vier Akte der Oper zu vokaler Strahlkraft aufläuft, so überzeugt doch sein schmeichelnd lyrischer Tenor insbesondere in den leisen, klangreduzierten Kantilenen. In der absolut bombastisch pompösen Arie "Celeste Aida" fehlt dem Italiener allerdings die vokalathletische Ausdauer, die markante Stentorkraft und ein technisch fein geschliffenes "Diminuendo".

 

"Un trono vicino al sol", verblasst in einem hektisch abrupt gekappten Legato, entströmt nicht verklärt und träumerisch schwelgend in langatmiger emotionaler Ergriffenheit. Stattdessen bricht der Luftstrom ab, der letzte Ton wird herausgequetscht und der Zauber dieses melodiösen Meisterwerks verpufft hart im tonlosen Raum.

 

Nichts hallt angenehm nach, nichts schwingt sanft im Raum mit. Nicht der leiseste Hauch eines Tönchens. Wie schade für den Moment, der somit dahin ist.

 

©Semperoper / Ludwig Olah

©Semperoper / Ludwig Olah

©Semperoper / Ludwig Olah

Krassimira Stoyanova hingegen ist von Anfang an eine überragende Klangsirene. Geballte Emotionalität schwingt zu jeder Sekunde in der Stimme mit, die sich zart und duftig mühelos in die exponiertesten Höhenlagen schraubt und noch bis in den letzten Akt hinein unangestrengt und so frisch wie durchsichtig schimmernde Tautropfen erklingt.

 

Tatsächlich perlt jeder Ton elastisch und biegsam von den Stimmlippen der Sängerdarstellerin ab. Hingebungsvoll und sphärisch mutet auch die Schlussarie im letzten Akt an, in der Stoyanova stimmlich ganz sanft, ruhig und zart dem Liebestod erliegt.

 

Nur was so entspannt dahinfließt und ätherisch gleitend im Auditorium verhallt, ist so anspruchsvoll wie die Partitur mit ihren drei- und vierfach verstärkten Piani, die sowohl extrem leise als auch mit ausdauernder Intensität und Innigkeit vokal artikuliert werden müssen.

 

Eine Spur zu penetrant ist der Mezzosopran der Oksana Volkova in der Rolle der Amneris. Obgleich ihr forsches, von Eifersucht evoziertes Intrigantentum darstellerisch überzeugend zum Ausdruck kommt, so fehlt es der Sängerdarstellerin an einer wohl austarierten Registerverblendung.

 

Ihr Vokalinstrument wirkt voluminös bis in die satten Tiefen hinein, scheint allerdings künstlich abgedunkelt und weniger tragfähig zu sein als anfänglich gedacht. Und auch in den exponierteren Klanghöhen schrillt die Stimme unausgewogen metallisch scharf in den Raum.

 

©Semperoper / Ludwig Olah

©Semperoper / Ludwig Olah

©Semperoper / Ludwig Olah

An Georg Zeppenfelds Interpretation des Hohepriesters Ramfis ist zu meiner absoluten Freude rein gar nichts auszusetzen. Der Mann, der so rank und schlank glatt als Tenor durchgehen würde, besticht gesanglich durch seinen ausgewogen ozeanisch ausufernden Bass, der Volumen und eine farbenreiche Klangpalette verspricht.

 

Auch schauspielerisch ist der Mann mit der sonortiefen Stimme die Idealbesetzung des kaltherzigen Ramfis. Mit eiserner Miene bleibt er unnachgiebig auf die flehentlichen Bitten der Amneris ihren Geliebten Radames vor dem sicheren Tod zu bewahren.

 

Quinn Kelsey, der den Vater Aidas spielt, überzeugt mit ebenso ausdrucksstarker Vokalpräsenz wie Georg Zeppenfeld. Sein  Stimmmaterial ist weich, rund und vollmundig. Warm und sonor dringt der wohl timbrierte Bariton bis zur gesanglichen Kernschmelze vor und lässt die Stimme im samtenen Strom klangsatt dahinfließen.

 

Der Hohegesang der Tempelsängerin, die von Ofeliya Pogosyan, dem Ensemblemitglied der Semper Oper, verkörpert wird, ist zwar nebenrollentechnisch nicht unbedingt der Rede wert. Mit ihrem engelsleuchtenden Sopran hingegen vereinnahmt der lyrisch-vokalätherische Klang und wirkt vollends hypnotisierend.

 

©Semperoper / Ludwig Olah

©Semperoper / Ludwig Olah

Christian Thielemann ist am Dirigentenpult ein absoluter Gewinn. Orchestral strömt die Musik, Klangteppiche werden ausgebreitet, seidenzart schimmern die Instrumentalfarben in allen möglichen Facetten und vereinen sich zu einem harmonischen Guss, aus denen sich die Piani und Pianissimi wie flimmernde Lichtstrahlen absetzen.

 

Mit viel Präzision und Leidenschaft am Werk wird diese Aida noch lange nicht aus dem Gedächtnis zu kriegen sein.

 

Sie ist zu neuem musikdramaturgischen Leben erweckt worden und strahlt nun so warmgolden wie die Abendsonne am weiten Horizont des Opernkosmos.


©Semper Oper / Über youtube zur Verfügung gestellt

Kurz und knapp auf den Nenner gebracht. Im Trailer zur Oper Aida werden Eindrücke lebendig, szenische Gestaltungsräume sichtbar und gesanglicher Facettenreichtum offen gelegt.

 

©Semper Oper / Über youtube zur Verfügung gestellt

Die Sopranistin Krassimira Stoyanova über die Rolle der Aida, die märchenhafte Inszenierung und die berührende Musik mit ihrer vereinnahmend emotionalen Temperatur.

 

©Semper Oper / Über youtube zur Verfügung gestellt

Im Gespräch mit Dirigent Christian Thielemann und Katharina Thalbach über die Inszenierung und die musikalischen Besonderheiten der Oper Aida.


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