Traumpaar auf der Züricher OPernbühne: BEnjamin Bernheim und Julie FUchs als Roméo und Juliette

14. April 2023

Rubrik Oper

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

Die schönste und gleichwohl tragischste Liebesgeschichte aller Zeiten ist die des Roméo und seiner Juliette. Von William Shakespeare mit den wohl poetischsten Worten ausgestattet und von Charles Gounod in ein musikalisches Meisterwerk verwandelt, nimmt das tragische Drama in fünf Akten dieser Tage am Opernhaus Zürich seinen unaufhaltsamen Lauf.

 

Starbesetzt mit einem absoluten Traumpaar am Start, das sich wie Roméo und Juliette, just an diesem zauberhaften Abend zum ersten Mal auf der Opernbühne gefunden hat, erlebt das Publikum mit der französischen Sopranistin Julie Fuchs in der Rolle der verliebten Juliette und dem französischen Tenor Benjamin Bernheim als liebestrunkener Roméo, ein grandioses Feuerwerk der Gefühle.

 

Dabei zielt der Regisseur Ted Huffman nicht auf ein szenisches Spektakel ab, das auf polarisierende Effekthascherei ausgerichtet, das Publikum vom eigentlichen Handlungsgeschehen samt musikalischer Darbietung ablenken soll, sondern erlaubt sich einen zielgerichteten Fokus, der ausnahmslos auf das Liebespaar gelenkt wird.

 

Von Anfang an lassen einen die jeweiligen Rollencharaktere hochintensive, emotionale Regungen zuteilwerden, die sich gestisch, mimisch und gesanglich farbenreich, ausdrucksstark und authentisch von der Bühne ins Auditorium verselbstständigen.

 

Getragen von einer besonders orchestral rauschhaften Musik, die gleich im ersten Akt in champagnerperlende Feierlaune versetzt, erlebt man prickelnde Momente übervoll von jugendlich überschwappendem Esprit.

 

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

Ted Huffman bedient sich dabei lediglich einem einzigen, sehr minimalistischen Bühnenbild, in dem die Freiheit der Interpretation und die Ausgestaltung der Handlung alleinige Sache der Akteure ist. Das erscheint gewagt, hat aber den grandiosen Effekt, dass Schauspiel und Gesang die absolute Pole-Position einnehmen und sich in ihrem jeweiligen Potenzial rundum entfalten können.

 

Und so gehen an diesem ereignisreichen Abend Musik, Schauspiel und Gesang eine gelungene Verbindung mit interpretatorischem und charakterdarstellendem Tiefgang ein, was selbstverständlich ganz besonders den Protagonisten Julie Fuchs und Benjamin Bernheim zu verdanken ist. 

 

Vollends in ihrer Rolle als Juliette aufblühend, öffnet Julie Fuchs gleich zu Beginn des ersten Aktes dem Publikum im Saal Herz und Seele. Auf der Zungenspitze tanzen die vokalen Höhenflüge wie durstverliebte Schmetterlinge schwerelos flatternd umher.

 

Die Lust am Leben entfaltet sich im Gesang der Sopranistin gleich einem hauchzarten Duft, der süßlich, mild und dennoch von einem intensiven Bouquet umflort in multifacettierten Nuancen verschmilzt.

 

Herrlich ist ihre berauschend feine Interpretation der Arie "Je veux vivre", die Julie Fuchs mit Verve und einer koloratursicheren Leichtigkeit in grenzenlose Tonalwelten katapultiert, so dass man den glückstaumelnden Rausch amouröser Gefühle auf der Stelle nachempfinden kann.

 

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

Jeder Lauf sitzt, Registerverblendungen verschwimmen formschön ineinander wie fließender Honig und erst die Spitzentöne, die jugendlich frisch, hell strahlend und von einer eleganten Leichtigkeit ins Ausufernde verglimmen - Julie Fuchs ist ein vokaler Hochgenuss, der süchtig nach noch viel mehr tönender Luft macht.

 

Und auch schauspielerisch überzeugt die charmante Französin, die in ihrer Rolle so sympathisch und nahbar wirkt, dass man jederzeit mit ihrem vorbestimmten Schicksal mitleidet. 

 

Benjamin Bernheim, der unbestritten eine der brillantesten Tenorstimmen dieser Tage vorzuweisen hat, strahlt gleichermaßen facettenreich und mit einem feinsilbrigen Vokalinstrument zusammen mit der Sopranistin um die Wette.

 

Großartig singt er jede Arie mit detailgenauem Feinschliff. Technisch äußerst akkurat, trägt die Stimme mühelos in die exponierten Höhen, strahlt hell leuchtend, kristallklar und gibt sich belcantistisch biegsam, so dass man wirklich seine helle Freude an diesem überaus bemerkenswert schönem Gesang hat.

 

Doch der Gesang allein macht noch lange keinen Tenor zum Star. Auch darstellend fährt Benjamin Bernheim seine gesamte Gefühlspalette auf. Emotionale Temperaturen, von hochjauchzender Freude, Glückseligkeit bis hin zu übergroßem Leid, so facettenreich changieren die Klangfarben unisono mit jeder erlebten und gelebten Gefühlslage, die aus Gestik und Mimik nur so herausbrechen.

 

Zutiefst berührt stimmt mich dieses Pärchen, ob freudig vergnügt, in naiver Verliebtheit miteinander verbandelt oder gar im Todeskampf verzweifelt auf eine jenseitige Vereinigung hoffend, illusorisch und rührselig.

 

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

Doch das die Liebe keine Illusion ist, dass sie wahrhaftig, einzigartig, unverwechselbar und so individuell wie universell erlebbar ist, das machen uns Julie Fuchs und Benjamin Bernheim auf intelligente und sehr reflektierte Art und Weise deutlich.

 

Wie ausgesprochen wohltuend, erhebend und erfrischend diese junge Liebe doch ist, deren hoffnungsloser Anfang bald schon ein jähes fatales Ende nimmt.

 

In der Balkonszene vergisst der Zuhörer allerdings nur allzu schnell, dass die heimliche Liebe der beiden keinerlei Zukunft hat, so verklärt, so verliebt und glücklich wirken Julie Fuchs und Benjamin Bernheim.

 

Und das sieht nicht nur nach wahren Gefühlen aus, es hört sich auch leidenschaftlich gut an. Was für eine vokale Vereinigung zweier Stimmen, deren jeweilige Klangfarben so fein aufeinander abgestimmt sind, dass man zuweilen denken mag, sie wären aus einem einzigen geschmeidigen Guss.

 

Beide Vokalinstrumente leuchten hell, klingen silbrig zart und sind durchwirkt von einer eleganten Strahlkraft, die betört und einfach nur süchtig macht.

 

Julie Fuchs und Benjamin Bernheim sind ein absolutes Traumpaar auf der großen Opernbühne, denn sie verstehen es, ihre tiefemotionale Verbundenheit zueinander in Roméo und Juliette glaubhaft zum Leben zu erwecken und auch in ihrer dunkelsten Stunde, die Hoffnung und den unerschütterlichen Glauben auf ewige Liebe im Jenseits herzerwärmend zu schüren.

 

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

©Herwig Prammer / Opernhaus Zürich

Warm und lockend sind auch die irisierenden Harmonien, die Charles Gounod seinem Meisterwerk kompositorisch zugrunde gelegt hat. Ein Fest, das wie eine rauschende Ballnacht auf einem feingesponnenen Klangteppich dahinschwebend, leicht, duftig und heiter in einem schonungslos harten Katzenjammer endet.

 

Ein Katzenjammer, der auch noch durch die verfeindeten Häuser der Familien Capulet und Montagues potenziert wird. In genau diesem Reigen des hoch explosiven streitsüchtigen Konstrukts besticht David Soar in seiner Rolle als Oberhaupt der Capulets mit ozeanisch tiefem Bariton und einer autoritären Aura, die es absolut in sich hat.

 

Herausragend ist auch die Rolle des Stéphano, der zwischen die verhärteten Fronten beider Familien gerät und in einer handgreiflichen Auseinandersetzung hilflos dabei zusehen muss, wie der Graf Capulet Mercutio mit einem Messerstich ins Jenseits befördert.

 

In einer reizenden und passgenauen Hosenrolle zum Leben erweckt, spielt die Mezzosopranistin Svetlina Stoyanova von Anfang an einen sehr überzeugenden Stéphano, der burschikos, frech und mit einer gesunden Selbstsicherheit gesegnet ist. Gesanglich besticht die Stimme mit einer warmgoldenen Mittellage und einer Präsenz, die absoluten Wiedererkennungswert besitzt und die hohe Kunst des Gesanges uneingeschränkt beherrscht.

 

Gleichermaßen versteht es Meastro Roberto Forés Veses die hohe Kunst der orchestralen Untermalung tonal wirkungsvoll zu etablieren. Mit raffinierter Taktstockführung, einer wohl austarierten orchestralen Linie gelingt es dem Dirigenten spannungsgeladene Höhepunkte konturiert herauszuarbeiten, die Geschichte agogisch temporeich voranzutreiben und auch die emotionalen Temperaturen so zu applizieren, dass eben nicht nur Musik in ihrer allumfassenden Ästhetik erklingt, sondern vielmehr als roter Faden mit geschichtenerzählerischem Talent durch die Handlung mäandert.

 

Was für ein Liebesdrama der emotionalen Superlative. Bravissimo!


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