Der Welt entrückt beim LIederabend mit Jonas Kaufmann und Diana Damrau

23. März 2020

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Julia Wesely

Liederabende sind so eine Sache und oftmals auch nicht so ganz mein Fall. Nach Hugo Wolfs "Italienischem Liederbuch", aus dem mir Jonas Kaufmann und Diana Damrau noch vor ein paar Jahren in den verschiedenen Konzerthäusern Europas vorgesungen hatten und dem extrem sperrigen Lied von der Erde, das mir rein gehörtechnisch wenig geschmeidig im Gedächtnis hängen geblieben ist - auch nicht nach vier konzertanten Anläufen - steht nun ein weiteres fragwürdiges Liedkonzept auf dem Konzertprogramm des Superlativistentrios, bestehend aus Jonas Kaufmann, Diana Damrau und Helmut Deutsch.

 

Schon wieder, müsste man sagen. Denn die drei hatten doch in den letzten Jahren des öfteren gemeinsame musikalische Tête-à-têtes, oder besser gesagt eine liebesliederlastige Ménage à Trois.

 

Nun stellen die Ausnahmekünstler Jonas Kaufmann und Diana Damrau, die rein optisch, aber eben auch in ihren gesanglichen Qualitäten und darstellerischen Attributen nicht disparater sein könnten, eine Litaneienorgie von satten 40 ausgewählten Liedern der Komponisten Brahms und Schumann auf die Beine - Pardon Bühne!

 

Und was die Zusammenstellung der durcheinandergewürfelten Liederkreise anbelangt, so ist das Wort "experimentell" schon gar kein Ausdruck mehr.

 

Unkonventionell trifft es da schon eher auf den Punkt, denn allein der erste Programmteil bestehend aus sieben Schumann Liedern, ist völlig unzusammenhängend aus den kompositorischen Angeln gerissen worden.

 

©Julia Wesely

Selbstverständlich mit Absicht. Und von unzusammenhängend kann eigentlich auch keine Rede sein, denn die durchdacht neu aneinandergereihte Liedfolge der Opuszyklen 25, 35, 74 und 83 fügen sich wie kleine Zahnrädchen zur erzählerischen Musikreise durch das Land der Liebenden perfekt ineinander.

 

Ob das wohl auch die weniger Liedkundigen verstehen, die sich ganz sicher auch an diesem Abend unter den deutlich verständigeren Klassikkennern tummeln?

 

Der Saal der Isarphilharmonie ist jedenfalls so gut wie bis auf den letzten Platz ausgebucht, darunter viele Fans, im Speziellen Kaufmann-Verehrer:innen und solche, die einfach nur mit den Augen zuhören wollen.

 

Warum auch nicht?

 

Als sich die Grand Dame der unbeschwert dahin geträllerten Koloraturen und der amtierende König der Tenöre samt Klaviaturmeister der romantischen Untermalungen auf die Bühne begeben, wird es still im Auditorium.

 

Ganz vorne in den ersten Parkettreihen wird das musikalische Liebesgeplänkel zu einem Ohrenschmaus, der auch die visuellen Sinne gehörig reizt, denn das ungleiche Pärchen, das nicht mehr so ganz jung an Jahren ist, wirft sich die tonalen Bälle in kunstvoll schauspielerischer Jongleurmanier einen nach dem anderen zu.

 

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Dabei wird allzu offensichtlich, dass der natürliche Charme, mit dem Kaufmann sein Publikum gesanglich als auch darstellerisch schmeichelnd umgarnt, im scharfen Kontrast zu der sehr gekünstelten, deutlich affektierteren Showmanier von Diana Damrau steht.

 

Das belustigt, amüsiert und unterhält auf eine andere als die vielleicht beabsichtigte Weise. Mit Kaufmanns tenoraler Strahlkraft, die so lebendig und zugleich geschmeidig ganz natürlich aus der Brust geschmettert daherkommt, den leisen Piani, die gehaucht ganz zart und zärtelnd aus den leidenschaftlichen Vokaltiefen an die Ohrmuschel dringen und jedem Lied den Stempel "Ich kann große Gefühle" aufdrücken, kann Damrau leider nicht so ganz mithalten. Sie kann und macht es eben anders.

 

Denn wenn etwas an ihrer Darbietung verzaubert, dann ist es die neckische, kecke und ein wenig exaltiert überdrehte Art, mit der jede Interpretation der Brahms und Schumann Lieder eine verspielte Note erhält.

 

Dadurch wirkt das Gespann nicht immer synchron. Doch wie langweilig wäre das, wenn ein Liebespaar in allen Liebeslagen so banal synchron durchs Leben ginge?

 

Es braucht Dynamik, Leidenschaft und Spannung. Genau das macht eine zueinander entbrannte Liebe aus und genau das bieten uns Kaufmann und Damrau in einer Vorstellung der musikalischen Güteklasse A.

 

©Julia Wesely

Ein seichtes musikalisches Dahingeplätscher liegt also an diesem Abend nicht drin, denn auch der leise Begleiter am Klavier, der den Tasten mit seinen Fingerfertigkeiten die entrücktesten und verzückendsten Klänge entlockt, weiß ganz genau, wie man mit romantischer Untermalung den Gesang der beiden Sängerdarsteller auf Händen trägt.

 

Wenn einer das kann, dann Helmut Deutsch.

 

Während sich Schumann und Brahms wechselseitig musikalisch befruchten, scheint sich das Publikum eher in zurückhaltendem Applaus zu üben.

 

Warum das so ist, bleibt mir schleierhaft, denn das "Kaufmann-Damrau-Deutsch-Experiment" scheint mir doch sehr gelungen, auch und vielleicht sogar vor dem Hintergrund, dass sich Schumann und Brahms zu Lebzeiten nicht nur musikalisch nahestanden, sondern sich auch für die gleiche Frau interessierten.

 

Wird dieser musikgeschichtliche Kontext hier klar konturiert, dann hat das grandiose Trio ganz bestimmt ganz viel richtig gemacht, denn so hat man die Liebesgeschichte der Clara Schumann, die in ihrem Leben von zwei schmachtenden Musikpoeten umgeben war, noch nie so brillant und klangmalerisch gehört.

 

Chapeau Herr Kaufmann für diesen genialen musikalischen Schachzug.

 

©Julia Wesely

Standing Ovations gibt es tatsächlich nicht, wohl weil "Nessun dorma" heute mal nicht als Teil des großen Klassikkanons zum Besten dargeboten wird?

 

Nun gut, Arienabende sind etwas anderes, Liederabende eben auch.

 

Und wenn sich schon bei Schumanns Widmung der Kreis für manch einen nicht öffnet, wird er sich wohl auch mit Brahms "Boten der Liebe" nicht so einfach schließen.

 

Eines ist jedenfalls so sonnenklar wie die "Widmung", die Kaufmann mit so viel Verve und überwältigender Strahlkraft singt, dass man die Leidenschaft des Tenors ganz innerlich zu vibrieren verspürt:

 

Konzertabende dieser Art sind wie geschützte Biotope, in denen das Paradies auf Erden zu Hause ist, und dass in so unwirtlichen, miserenhaften Zeiten wie diesen. 

 

Seien wir froh, dass uns solche musikalischen Genüsse weiterhin zuteilwerden und das elektrisierende Trio noch weitere 11 marathonverdächtige Liederabende in Folge geben wird - den wundervollen Liebesliedern sei Dank!


Jonas Kaufmanns selige Stunde

Leise, still und heimlich ist die neue CD von Jonas Kaufmann, die am 04. September im Handel erschienen ist, während des Corona-Lockdowns irgendwo zwischen München und dem bayerischen Oberland entstanden.

 



©Julia Wesely

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