Der Klang von Mut: Ein Roman über das Leben und Wirken in der Oper

14. Februar 2023

Rubrik Print & Medien

©Nicole Hacke / Operaversum

Für viele Menschen scheint die Oper nach wie vor ein Privileg auserwählter Eliten zu sein - nämlich unerreichbar für den regulären Musikliebhaber. Dass dem überhaupt nicht so ist und was die Oper als Institution, als Künstlerbetrieb und als tonalen Erlebnisraum ausmacht, beschreibt die Autorin Heike Franke in ihrem jüngsten Roman "Der Klang von Mut" auf das Eindrücklichste.

 

So erhält der Leser Einblicke in die schöpferische Welt der Protagonistin, die kurz vor dem Ende ihrer erfolgreichen Opernkarriere auf ihrem von schmerzlichen Erfahrungen gepflasterten Weg zurückblickt und auch auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn kritisch reflektierend, scheinbar immer noch mit den harten Bandagen des Operngeschäftes zu kämpfen hat.

 

Während ihre letzte Opernvorstellung - eine Uraufführung in Berlin - alte Wunden offenlegt und sich die Sopranistin nicht nur ihrer politischen Vergangenheit stellen muss, sondern auch mit schwierigen Künstlerpersönlichkeiten konfrontiert wird, taucht der Leser immer tiefer in den Opernbetrieb und dessen hierarchische Strukturen ein, in denen ein gewisses Machtgerangel an der Tagesordnung zu liegen scheint.

 

Dass der Beruf des Opernsängers kein Zuckerschlecken ist, der Weg dorthin steinig und beschwerlich, zeigt Heike Franke, die selbst als Altistin im Apollo-Chor der Staatsoper Unter den Linden singt, deutlich auf.

 

Doch auch die annehmlichen Seiten, der Glanz und die Illusion, die ein Opernbesuch mit sich bringen, werden auf eine nahezu detailverliebte und greifbare Art an den Leser herangetragen.

 

©Nicole Hacke / Operaversum

So greifbar, dass man sich als Opernnovize tatsächlich sehr gut vorstellen kann, welch überwältigende Gefühle die Musik und der Gesang in einem auslösen können, vor allem dann, wenn man am wenigsten damit rechnet:

 

All diese emotional vielschichtigen Nahaufnahmen durchlebt der Leser mit den Romanfiguren, die Heike Franke konturiert und identifikationsecht zum Leben erweckt.

 

Julie Martens beispielsweise ist so eine nahbare Figur, die eigentlich rein gar nichts mit der Opernwelt zu tun haben will. Fremd und wenig zugänglich erscheint ihr das Musikgenre, für das sich wiederum ihre beste Freundin auf das Leidenschaftlichste erwärmen kann.

 

Das Erstere zu guter Letzt mehr unfreiwillig auf die klassische Musik und ihre höchst angenehmen Begleiterscheinungen gestoßen wird, hat Julie Martens der Tochter ihrer besten Freundin zu verdanken, die versessen darauf ist, als Opernsängerin später einmal die großen Bühnen der Welt zu erobern.

 

Was aber wäre letztendlich das ganz große Opernbrimborium, die ausschweifenden Ausflüge in die musikdramatischen Gefilde, wenn die Geschichte nicht auch eine zwischenmenschliche Komponente mit Romantikfaktor enthielte?

 

Kilian Holm, der umschwärmte Opernsänger, jung, attraktiv und unwiderstehlich, darf in diesem Werk natürlich nicht fehlen, denn er bedient ganz klar die schwärmerische, ikonenhafte Komponente eines Sängerideals, das nur allzu leicht zur Projektionsfläche erotischer Fantasien avancieren kann.

 

So scharrt der charismatische Bühnenheld eine schockverliebte weibliche Fangemeinde um sich herum, während er eigentlich nur Augen für die distanzierte Julie hat und mehrere Anläufe benötigt, um ihr Herz am Ende doch noch zu gewinnen.

 

©Nicole Hacke / Operaversum

©Nicole Hacke / Operaversum

Ende gut, alles gut! Nun nicht ganz, denn auch ein Missbrauchsfall an einer jungen Sängerin macht vor dem Opernbetrieb nicht halt.

 

Heike Franke präsentiert uns tatsächlich das Allrounder-Paket, mit dem wir eine klare und sehr detaillierte Vorstellung davon bekommen, was die Oper in all ihren Schattierungen und Ausprägungen vor und hinter den Kulissen vermag.

 

Bereits nach dem intensiven Prolog, der den Leser von der ersten Sekunde an fesselt, trifft man auf eine junge Sängerin kurz vor ihrem aller ersten Auftritt.

 

Mit emotionalem Tiefgang versehen, versteht der Leser sofort, was in dem Menschen vorgeht, der sich als Künstler mit seiner Stimme vor einem Publikum bis auf die Seele entblößen will und wohl auch muss.

 

Die körperliche Anspannung, das Lampenfieber, der unregelmäßige Atem, der irgendwann ruhiger strömt, das greifbare Gefühl, ganz alleine auf einer großen Bühne zu stehen und nicht vorausahnen zu können, was die ersten gesungenen Töne wohl beim Publikum auslösen werden, treibt auch dem Leser fast schon die Schweißperlen auf die Stirn.

 

"Der Klang von Mut" ist ein Roman über das Leben und Wirken in der Oper, den man unbedingt lesen sollte, wenn man noch wenige bis gar keine Berührungspunkte mit dem Universum der Oper gehabt hat, aber verstehen will, warum die Oper Menschen seit 400 Jahren bis zum heutigen Tag immer noch und immer wieder aufs Neue faszinieren kann. 

 

Selbstverständlich schürt dieser Roman auch die Lust auf mehr Operngenuss bei eingefleischten Opernenthusiasten!


©Heike Franke

Die Autorin Heike Franke, wurde 1966 in Berlin geboren. Nach dem Studium der Politischen Wissenschaften arbeitete sie zunächst in England, kehrte dann jedoch in ihre Heimatstadt zurück, wo sie auch heute lebt.

 

Ihren ersten Roman „Choose Life“ veröffentlichte sie nach vielen Verlags Ablehnungen 2013 als Self-Publisherin sowohl in Deutscher als auch in Englischer Sprache. 2015 konnte sie dann  mit Eine Liebe in der Bourgogne ihr Debut bei einem großen Publikumsverlag feiern. 2017 folgte Gesang der Zikaden, 2018 und 2019 die Polit Thriller Livestream sowie Null Linie (beide mit der Protagonistin Marlene), Ende 2019 Die Stille der Savanne  und 2022 Der Klang von Mut.

 

Heike Franke will sich nicht auf ein Genre festlegen lassen. Als Politologin interessieren sie naturgemäß tagesaktuelle Themen, aber am Ende schreibt sie immer die Geschichte, die sie schreiben muss mit den Figuren, die beharrlich auf ihrem Schreibtisch hocken und sie anherrschen, gefälligst ihre Story zu erzählen.

 

Egal, was und worüber Heike Franke schreibt, am Anfang steht immer die Recherche. Die Inspirationen für die Geschichten findet die Autorin mit sowohl Beduinen- als auch Wikingerblut auf zahlreichen Reisen, die sie rund um den Globus führen. Sie schreibt jedoch über keinen Ort, an dem sie nicht war.

 

Die Abenteuerlust zieht Heike Franke nicht nur in die Ferne, sondern sorgt auch dafür, dass sie gern Neues ausprobiert – sowohl als Privatperson als auch als Autorin. Vieles davon wird später literarisch verarbeitet.

 

Trotzdem ist der Ansatz für ihre schriftstellerische Tätigkeit nicht autobiografisch. Dazu interessiert sie mich viel zu sehr für andere Menschen. Mit ihren Geschichten versucht sie immer auch, die Welt ein wenig besser zu machen, indem sie sich bemüht aufzurütteln, eine ungewohnte Perspektive aufzuzeigen, für das Fremde Erklärungsansätze zu finden und Verständnis zu wecken. Ob ihr das gelingt, entscheiden letztlich die Leser:innen.

 

Neben der Schriftstellerei ist die Musik die wohl größte Liebe in Heike Frankes Leben. Sie empfindet es als großes Glück, dass sie beide Leidenschaften leben kann – als Autorin und auch als Altistin im Apollo-Chor an der Staatsoper Unter den Linden.


©Nicole Hacke / Operaversum

EIN BEWEGENDER ROMAN ÜBER DAS LEBEN DER MARIA CALLAS

Eva Baronsky ist mit ihrem Roman "Die Stimme meiner Mutter" ein ganz besonderes Portrait der großen Operndiva Maria Callas gelungen. Obgleich ihr Zweitlingswerk nach "Herr Mozart wacht auf" rein fiktiver Erzählkunst entspringt, so taucht der musikliebhabende Leser...

 



©Nicole Hacke / Operaversum

DER LETZTE SATZ: ROBERT SEETHALERS PERSÖNLICHE HOMMAGE AN GUSTAV MAHLER

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