Letzte Station Wien: Liebesliederreise von Jonas kaufmann und Diana Damrau endet

14. April 2022

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Sebastian Madej / Laiezhalle Hamburg

Wenn es am schönsten ist, muss man aufhören oder aber eine besondere Konzerttournee geht zu Ende. Auf einer ausgewählten Liebesliederreise durch sage und schreibe zwölf europäische Hauptstädte haben sich der Münchner Tenor Jonas Kaufmann und die Sopranistin Diana Damrau in die romantischen Gefilde der dichterischen Tonkunst Schumanns und Brahms gewagt.

 

Was zum Auftakt in München noch wie ein waghalsiges musikalisches Experiment erschien, wurde im Laufe der elf weiteren Konzertauftritte zu einer routinierten Weltflucht aus dem trübseligen Einheitsbrei des Alltags.

 

Und das mit 40 aneinandergekoppelten Liedern, die so raffiniert patchworkartig zusammengesetzt waren, dass man hätte meinen können, drei gänzlich neue Liederzyklen wären dabei entstanden.

 

Schade nur, dass zwischen den kompositorischen Liedwerken von Robert Schumann und Johannes Brahms nicht auch die in Liebe umflorte Clara Schumann liedtechnisch ein ehrwürdiges Plätzchen hätte finden können.

 

Sie nämlich war die Zündung für dieses musikalische Feuerwerk, das in Sehnsucht, Herzschmerz und Leidenschaft nur so entbrannte, genauso wie es die Sängerdarsteller Kaufmann und Damrau bühnentauglich taten.

 

©Sven Lorenz

©Sven Lorenz

Denn intim war der Liedgesang jedenfalls nicht ausschließlich, weil man ihn üblicherweise als solchen tituliert, sondern eben auch, weil zwei begnadete Liedsänger wie Turteltäubchen grandioses interpretatorisches und schauspielerisches Geschick an den Tag legten - und zwar mit ausgesprochen darstellerischer Intensität.

 

Keine Sekunde wurde es mit den beiden Vokalathleten langweilig. Ganz im Gegenteil: Kaufmann und Damrau legten sich so filmreif ins Zeug, dass man beinahe den Eindruck gewann, die Funken sprühen zu sehen. Und das nicht nur wohl dosiert, sondern mit überschwappender Hingabe und leidenschaftlicher Verve.

 

Dass Diana Damrau in sinnlich kokettierender Manier mit ein paar Längen Vorsprung auf der Überholspur brillierte, störte kein bisschen, denn was die Meisterin der formschönen Koloraturen gesanglich nicht durchweg überzeugend ablieferte, das kompensierte der Tenor der Herzen mit seinem gaumig-dunkelsamtig timbrierten Klangschmelz, der wohl auch so manches Publikumsherz an unzähligen Abenden zum Schmelzen brachte.

 

Mit wenigen Ausnahmen holte er die strahlkräftigen Vokallorbeeren aus dem Feuer und überzeugte als Gesamtpaket zumeist auf ganzer Linie.

 

In London ein wenig indisponiert, merzte er auch die hüstelnden Attacken durch technische Perfektion immer wieder aus und machte dadurch seinem Namen als weltbester Tenor alle Ehre.

 

©Mark Allen / Barcican Centre London

©Antoni Bofill / Palau  de la Musica

©Antoni Bofill / Palau  de la Musica

Duftig, zart und von einer geflüsterten, nahezu elektrisierenden Intensität umschmeichelten seine leisen Töne so klangsatt, warmgolden und von einer köstlich schokoladenweichen Textur schwelgerisch die "Herzallerliebste mein". OH ja, das subtil im Unterschwelligen brodelnde Temperament des Ausnahmekünstlers kam ganz besonders in den dahingedufteten, zärtelnden Liedpassagen voll zum Ausdruck.

 

Diana Damrau, die immer etwas neckisch verspielt, grundsätzlich aber nicht mit gesanglichem Tiefgang nachwirkte, zeigte sich dafür demonstrativ von ihrer schauspielerisch versiertesten Seite. Charmant, spritzig und dabei einem flatternden Vögelchen gleich, zog sie so gut wie alle Register, die eine Frau zu ziehen vermag.

 

Gesanglich schlapp machte die koloratursichere Sängerdarstellerin nicht ein einziges Mal bei diesem außerordentlichen Konzertmarathon.

 

Vielleicht lag es aber auch daran, dass die 40 Musiknummern mal zum geteilten Leid, mal zur geteilten Freud wurden.

 

Jedenfalls offenbarte sich dem Zuhörer im ersten Schumann-Zyklus der ganze Weltschmerz eines unerfüllten Herzens, nur um im zweiten Zyklus von hoffnungsvollem Sehnen heimgesucht zu werden.

 

Obsiegen tat die Liebe dann zu guter Letzt im finalen Schumann-Zyklus.

 

©Sven Lorenz

©Mark Allen / Barcian Centre London

©Antoni Bofill / Palau  de la Musica

Mit "Die Boten der Liebe Op. 61" boten sich dem Publikum außerordentlich geballte Harmonieeruptionen, die sich durchdrungen von stürmischer Zuneigung und tiefer Beseeltheit in watteweichen Vokalsphären entluden.

 

Dass Jonas Kaufmann in der Hamburger Laeizhalle fast die Akustik gesprengt haben solle, will sich mir nicht erschließen, denn ist es nicht genau das, was man an rechter musikstilistischer Stelle gemäß Dynamikvorgaben von einem Tenor erwartet.

 

Auch im Lied gibt es brustsprengende Passagen, die sich möglichst sonor verlautbaren müssen.

 

Wo sonst bliebe denn da die Leidenschaft, wo die überschwappenden Gefühle. Wo sollten sie denn alle hin, wenn nicht direkt aus dem Bauch heraus, durch die Brust ins Auditorium geschallt?

 

Und war es nicht auch so, dass gerade noch vor ein paar Jahren genau diese Akustik sprengende Abstinenz tönenden Wohlklangs beim Konzert in der Elbphilharmonie kritisiert wurde?

 

©Antoni Bofill / Palau  de la Musica

Herr Kaufmann, Sie haben meines Erachtens alles richtig gemacht. Jetzt erwarten wir Ihre Ankunft in Wien, damit Sie die Liebesliederreise zu einem fulminanten Abschluss bringen können.

 

Denn wie war das noch gleich: Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören!

 

Aber bitte nur für diese Liebesliederreise. Bei der nächsten Konzerttournee bringen Sie doch bitte noch mehr Schumann-Zuckerln mit - wenn es nach mir ginge, dann am allerliebsten die Dichterliebe Op. 48.


©Julia Wesely

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