EIn Nachtkonzert zum Träumen bei den Gluck Festspielen in Bayreuth

12. Mai 2024

Rubrik Konzert

©Beth Chalmers

In der Ruhe liegt die Nacht, auch wenn an diesem Abend keiner so wirklich schlafen gehen will. Kein Wunder, schließlich lockt die Bayreuther Schlosskirche mit einem feinen und besonders ätherischen Konzertprogramm, das aus Liedern der Komponisten Dowland, Gluck, Rossi und Monteverdi gestrickt ist. 

 

Wer bei dieser genussvollen Auswahl "Lauten" malerischer Tonpoesien noch schlafen gehen kann, ist nicht zu retten, wirklich nicht. 

 

Von Nicole Hacke

 

Denn was sich im Kirchenschiff gediegener Barockpracht zu später Stunde abspielt, ist Nachtmusik vom Allerfeinsten oder besser gesagt, es sind die bardischen Klänge eines kostbaren Liedguts, das sich nur schwer mit dem überbordend ornamentalen Musikstil der Barockoper in Verbindung bringen lässt. 

 

Tatsächlich erscheinen die Werke wie ein absolutes Kontrastprogramm im Vergleich zum vorangegangenen Konzert mit dem Countertenor Valer Sabadus, der im Markgräfischen Opernhaus zu orchestralen Klängen von Händel, Ribatutte und formschöne Verzierungen ohne Unterlass produzierte. 

 

Mit den Werken von Dowland, Purcell, Rossi und Monteverdi reduziert sich das, was man als schlichtweg A-typische Barockmusik klassifizieren würde, auf eine höchst intime Musikdichtung, bei der lediglich Cembalo und Laute den Gesang komplementieren. 

 

Doch zunächst passiert nicht viel mehr als das sich aus dem Schatten des Seitenflügels der Kirche ein junger Tänzer schält. Mit fließenden Bewegungen steuert der drahtige Mann auf den Kirchenaltar zu und performt mit ausladenden Handbewegungen eine moderne Choreografie, die vor abstrakter Ausdruckskraft nur so strotzt. 

 

©Beth Chalmers

©Beth Chalmers

Einmal längs durch die Mitte, die einzelnen Kirchenbänke mit seinen Zuhörern wie in Zeitlupe passierend, schwebt Alberto Pagani nahezu traumverloren von Reihe zu Reihe und verliert sich leichtfüßig in einer Interpretation, die Zeit und Raum redundant macht. 

 

Dabei ruht alles wie in ergebener Stille. Mucksmäuschenstill, so still wie die Nacht, bis sie ganz plötzlich von einer hellen, klaren Stimme durchdrungen wird. 

 

Von der Empore der Kirchenorgel singt der Tenor Aco Bišćević John Dowlands “Time stands still”. Und das mit einer berührenden Beseeltheit in der Stimme, aus der besonders feinporige Legato-Linien strömen.

 

Phrase für Phrase, mit langem Atem, ausdauernd, kontrolliert und ohne Vibrato: So göttlich kann Gesang klingen, wenn die “Zitterpartie” der Stimmlippen einfach mal auf stumm geschaltet wird.   

 

Tatsächlich muss Dowland rein, strahlend und duftig erklingen, wenn die sphärische Komponente der weltentrückten Musik herausstechen soll.

 

Hier braucht es kein arioses Getue, keine große, kraftvolle, ausladende Stimme, sondern eine erhabene Schlichtheit, die mit kontrollierter Stimmführung unaufgeregte Tonperlen absetzt - edel und kostbar und irgendwie nicht von dieser Welt.

 

©Beth Chalmers

©Beth Chalmers

©Beth Chalmers

Genau das macht diese Liedgattung so unverwechselbar betörend, anziehend, sphärisch und melodisch verführerisch. 

Und auch die feenhafte Stimme von Hannah-Theres Weigl umschmeichelt das Genuss verwöhnte Gehör mit ihrer liebreizenden gesanglichen Aura.

 

Erst  kürzlich  im Opernstudio der Wiener Staatsoper aufgenommen, zeigt die junge Sopranistin, was sie mit ihrer zartschmelzenden Stimme alles kann.

 

Überhaupt strahlt es bei ihr funkelnd in den schillerndsten Höhen. Wie ein feingeschliffener Diamant leuchtet ihr Vokalinstrument sternenklar in die Nacht.

 

Elegant und von einem hauchzarten Timbre umflort, fliegen einem die Töne elegant flatternd ums Gehör. Es ist wie ein stimmliches Aufbäumen, ein sprühender Funkenschlag tonaler Virtuosität, der sich einem unwiderruflich ins Gedächtnis brennt. 

 

Andächtige Melodien lösen sich auch im klangmalerischen Meer der Laute und des Cembalos auf. Mal gezupft, mal zart angeschlagen fühlt man sich als Zuhörer sofort in eine nachtblaue Atmosphäre katapultiert, den virtuosen Solisten Stephan Rath und Bastian Uhlig sei Dank.

 

Als Aco Bišćević eine bosnische Weise anstimmt, die irgendwie aus dem Kontext des anglo-italienischen Musikabends gerissen scheint, wird es plötzlich ganz still im Publikum, denn der junge Tenor weiß um die Kraft der Worte, versenkt sich tief in die inhaltliche Interpretation und schöpft aus vollem Herzen, um die Geschichte der tragischen Fatma und ihrer unglücklichen Liebe in voller Pracht erblühen zu lassen.

 

Es ist eine Romeo & Julia-Geschichte, die zwei sich liebende Menschen nicht zueinander finden lässt.

 

©Beth Chalmers

©Beth Chalmers

Inniglich und mit leidenschaftlicher Verve interpretiert der Tenor dieses für die bosnische Gesellschaft bezeichnende Liedgut.

 

Dabei geht es unendlich nahe, hält einen so fest umklammert und lässt einen lange nicht los. Tief berührt hält auch der letzte verklingende Ton Bišćevićs die vielen staunenden Seelen in der Schlosskirche gefangen.

 

Es ist der Abend der Abende. Es ist das süße Liebeslied einer Nacht, das wie im Traum über der Welt schwebt und alles Irdische für den Moment der Sehnsucht vergessen lässt.

 

Programm:

 

J. Dowland: Time stands still

H. Purcell: Sweeter than Roses

G.F. Händel: Who calls my soul

J. Dowland: Come again, sweet love doth now invite

C.W. Gluck: Gli sugardi trattieni

F. Couperin: Le Dodo au LÁmour au Berceau

G. Caccini: Amor ch´attendi

J. Dowland: Awake, sweet live: thou art return´d

L. Rossi: Amanti, sentite

J. Dowland: Fine Knacks for Ladies

L. Rossi: Occhi belli

J. Dowland: Lachrimae Pavan

J. Dowland: Come, heavy sleep

C. Monteverdi: Si dolce e´l tormento


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