05. August 2025
Rubrik Konzert
©Ennevi / Arena di Verona
Wenn die Dämmerung über Verona hereinbricht und sich die Arena di Verona im milden Abendlicht rötlich färbt, spürt man bereits vor Beginn des Gala-Abends, der mit Startenor Jonas Kaufmann am 3. August einen konzertanten Höhepunkt setzt, etwas ganz Besonderes:
Das Publikum in der Arena wird still, die Luft vibriert – und oben am Himmel leuchten die ersten Sterne. Dann betritt Jonas Kaufmann die Bühne des erlauchten Amphitheaters und setzt zum ersten Ton an. Es ist das Preislied aus Wagners epischer Oper "Die Meistersinger von Nürnberg".
Von Nicole Hacke
Mit baritonalem Glanz und stentoraler Präsenz füllt Kaufmann den imposanten Raum des Musentempels. Der Klang seiner Stimme strömt ruhig, saturiert und so durchdringend, als wolle der Tenor die antiken Mauern selbst mit Leben füllen.
An seiner Seite behauptet sich die Sopranistin Marina Rebeka, die mit gleichsam nobler und kraftvoller Verve die Arie „Dich, teure Halle“ aus Tannhäuser zum Besten gibt.
Ihr Sopran klingt hell, klar und entbehrt dennoch nicht an raumgreifender Präsenz. Herrlich mutet diese emotional durchwirkte Stimme an, die Resonanzen erzeugt und das Publikum spannungsintensiv in ihren Bann zieht.
Dann präsentiert Kaufmann einen Lohengrin, der die Gralserzählung zu einer transzendenten Erfahrung macht. Mit sanfter Kantabilität, erzeugt der gereifte und in der Mittellage prächtige Tenor eine ausgeklügelte Dynamik, die sich ausgesprochen differenziert in dramatischer Intensität entlädt.
Das Orchester unter der Leitung von Jochen Rieder, nimmt sich dabei fast schon vornehm zurück. Erstaunlicherweise hat man dabei das Gefühl von kontrollierter Sparsamkeit eines musikalisch elegant reduzierten Kondensats. Irgendwie - und das überrascht immens - lässt Jochen Rieder Wagners Musik dezent atmen.
©Ennevi / Arena di Verona
©Ennevi / Arena di Verona
Während im gedämpften Licht der Arena der Sternenhimmel funkelt, dient die Pause nicht bloß zum puren Verschnaufen, sondern spannt beim Publikum den Erwartungsbogen auf das, was noch kommen mag, bis zum Anschlag.
Im zweiten Programmteil erklingen dann endlich Arien von Puccini – und mit ihm eine Klangwelt, die so sinnlich brennt, als sei sie eigens für den heißen Sommerabend komponiert worden. Beim gemeinsamen Duett zu " Tu, amore? Tu? aus Puccinis herzzerreißender Oper Manon Lescaut finden sich zwei Stimmen, die harmoniesatte Melodien produzieren und damit das Publikum vollends in ihren Bann ziehen.
Diese Darbietung von Jonas Kaufmann und Marina Rebeka ist höhepunktreif, denn diese Duett-Arie erklang zuletzt 1070 in der Arena di Verona, Plácido Domingo und Magda Olivero sei Dank. Doch an diesem heutigen Abend schenken Kaufmann und Rebeka sich gegenseitig Töne voller Verzweiflung, Sehnsucht und Liebe – ein pures Klangvergnügen.
Danach folgen Intermezzi aus Manon Lescaut und Madama Butterfly, in denen das Orchester warme Klangfarben in die laue Nacht malt – ausfüllend, doch nie überbordend. Das große Liebesduett aus Madama Butterfly inklusive „Addio fiorito asil“ steigert die Dramatik ins fast Unerträgliche:
Dabei schaukeln sich Sopran und Tenor in einen Rausch der Gefühle. Es ist wie eine vokale Sehnsucht des Verlangens, bei denen beide Stimmen honiggolden-bittersüß miteinander verschmelzen. Die Arena wird in diesem Moment zum Resonanzkörper menschlicher Emotionen.
Und Jonas Kaufmanns Stimme mäandert zwischen lyrischer Wärme und dramatischer Tiefe – eine Balance, die unter freiem Himmel besonders eindrücklich wirkt. Mit austarierter Intensität, ohne übertriebenen Heldenpathos, sondern intim und reflektiert, gelingen dem Tenor die leiseren Passagen in einem konturierten "Pianissimo morendo", das für den Ausnahmekünstler so bezeichnend ist und von einer Sensibilität anmutet, die seinesgleichen sucht.
Marina Rebeka gestaltet mit ihrem hellen Sopran ariose Klangperlen, die innig und expressiv zugleich sind. In den Duetten mit ihrem Bühnenpartner entsteht eine Klangbrücke, die sich aus leidenschaftlicher Verve speist und dem Zuhörer elektrisierende Schauer angenehm warm den Rücken herunterlaufen lässt.
©Ennevi / Arena di Verona
Als das letzte Duett der beiden Interpreten verhallt, bleibt es in der Arena für Sekunden mucksmäuschenstill. Darauf folgt eine Applaus-Kaskade, die scheinbar nicht enden will. sodass ein Zugaben-Repertoire unumgänglich wird.
Dieser Konzertabend umreißt eine packende Geschichte in Tönen: ein Dialog zwischen zwei Stimmen, der Klangraum eines antiken Amphitheaters und das Publikum, das Teil einer besonders magischen Ariennacht wird.
Im ariosen Vollrausch zwischen Wagnerischer Tiefe und Puccini’scher Leidenschaft, haben Jonas Kaufmann und Marina Rebeka es geschafft mit ihren Stimmen tonale Erzählkunst von der Bühne ins Publikum zu transportieren und dabei die schönste Metamorphose aus Musik und Gefühl kreiert: einen magischen Moment!
Programmdetails:
Richard Wagner
Die Meistersinger von Nürnberg
Vorspiel Akt I
Morgenlich leuchtend im rosigen Schein (Walthers Preislied)
Jonas Kaufmann (Walther von Stolzing)
Tannhäuser
Dich teure Halle
Marina Rebeka (Elisabeth)
Lohengrin
Vorspiel Akt III
Im fermem Land (Gralserzählung)
Jonas Kaufmann (Lohengrin)
Giacomo Puccini
Manon Lescaut
Intermezzo sinfonico
Tu, tu, amore? Tu?
Marina Rebeka (Manon Lescaut), Jonas Kaufmann (Des Grieux)
Madama Butterfly
Intermezzo sinfonico
Addio fiorito asil
Jonas Kaufmann (B. F. Pinkerton)
Viene la sera… Bimba dagli occhi pieni di malia… Vogliatemi bene…
Jonas Kaufmann (B. F. Pinkerton), Marina Rebeka (Cio-Cio San)