Ad una stella – Sonya Yoncheva und Malcolm Martineau in der Staatsoper Unter den Linden mit einem emotionalen Recital

28. November 2023

Rubrik Konzert

©Kristian Schuller / Sony Classical - Sonya Yoncheva

Es ist immer etwas Besonderes, einen Opernstar nicht in einer Rolle, sondern in der intimen Atmosphäre eines Recitals zu erleben - und manchmal eben mehr als «nur» besonders.

 

Der 27. November 2023 ist ein kalter Winterabend. Feiner Schnee tanzt vom Berliner Himmel als ich in der Staatsoper Unter den Linden erwartungsfroh Platz nehme. Der Orchestergraben ist unter der Bühne verschwunden, auf dieser glänzt einsam der Flügel.

 

So unprätentiös wie das schlichte Bühnenbild, eine helle Leinwand, auf die Licht ein wie Satin anmutendes Muster wirft, betritt Sonya Yoncheva zusammen mit ihrem Pianisten Malcolm Martineau die Bühne.

 

So nahbar wirkt sie, dass ich unweigerlich an die Videos denken muss, die sie während der ersten Corona Lockdown Zeit auf Instagram gepostet hat. In denen sie aus ihrer Küche für ein Publikum sang, das, wie sie selbst, zuhause saß und nicht wusste, wie es weitergeht.

 

Genau diese Sonya Yoncheva steht nun auf der Bühne: Kein üppiges Abendkleid, kein funkelnder Schmuck, keine aufwendige Frisur, kein glamouröses Make-Up.

 

 

©Kristian Schuller / Sony Classical - Sonya Yoncheva

Sonya Yoncheva muss sich nicht sammeln, muss keine Spannung erzeugen. Sie wartet nicht mit gesenktem Blick, nein, sie stimmt einfach Puccinis «Sole e amore» an und hat ihr Publikum schon vor dem ersten gesungenen Ton.

 

Hingebungsvoll und virtuos begleitet von einem sichtlich bestens gelaunten Malcolm Martineau, führt uns Sonya Yoncheva mühelos und voller Emotionalität, durch Lieder und Arien italienischer Komponisten des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts und zeigt dabei mit ihrer Stimme quer durch alle Register die gesamte Palette menschlicher Emotionen gepaart mit einer enormen Fülle an Stimmfarben.

 

Jeder Ton ist perfekt platziert und mit funkelnden Obertönen ausgestattet, dass man meint, das Haus sei nicht groß genug, um diese Stimme zu fassen.

 

Dabei bleibt Sonya Yoncheva jede Sekunde so unprätentiös wie ihr Auftritt. Bescheiden und mit ihrem Publikum verbunden, wie ich es noch in keinem Recital zuvor erlebt habe.

 

Und vielleicht ist es das, was diesen Abend so unfassbar besonders macht, dass da eine Frau auf der Bühne steht, der man das große Herz anmerkt, das in ihr wohnt.

 

 

©Kristian Schuller / Sony Classical - Sonya Yoncheva

Die den Augenkontakt zu ihrem Publikum immer wieder sucht und findet. Die Lieder und Arien in einer Art und Weise singt, dass es die Worte nicht braucht, denn der energetische Dialog, den Sonya Yoncheva mit uns führt, lässt einen in jedem Moment genau verstehen, worum es geht.

 

Zum Abschluss des Recitals offenbart «Un bel di vedremo» als eine Art Amuse Gueule, dass wir im kommenden Februar auf dieser Bühne wohl eine andere als die gewohnte Cio-Cio-San in Puccinis Madama Butterfly erleben werden: eine mutiger gesungene mit mehr Facetten.

 

Nach verdienten minutenlangen Standing Ovations und zwei Zugaben verabschiedet sich Sonya Yoncheva schließlich mit „Adieu, notre petite table“ aus der Oper «Manon», nicht jedoch ohne zuvor zu versichern „this is a good-bye, not an adieu“.

 

Ich habe viel geweint an diesem Abend. Und ich verlasse die Staatsoper ganz erfüllt mit Glück, das noch lange in meinem Herzen nachhallen wird.

 

Programm:

  

GIACOMO PUCCINI

Sole e amore

Terra e mare

Mentìa l’avviso

Canto d’anime

 

GIUSEPPE MARTUCCI

Al folto bosco

PAOLO TOSTI

L’ultimo bacio

L’ideale

 

GIUSEPPE VERDI

In solitaria stanza

Ad una stella

L’esule

 

PAUSE

 

GIACOMO PUCCINI

»Se come voi piccina« aus LE VILLI

»Vissi d’arte« aus TOSCA

ISAAC ALBÉNIZ

Tango in D

 

GIACOMO PUCCINI

»Donde lieta usci« aus LA BOHÈME 

»Un bel dì vedremo« aus MADAMA BUTTERFLY 


Operaversum.de bedankt sich bei Heike Franke, die neben ihrer Schriftstellerei die Liebe zur klassischen Musik als eine ihrer größten Leidenschaften benennen kann.

 

Mit ihren beiden Opernromanen "Der Klang von Mut" und "Einsam funkelnd in der Nacht" erzählt die Berlinerin über den Werdegang einer jungen aufstrebenden Opernsängerin und gewährt dabei Einblicke in den künstlerischen Alltag an der Oper.

 

Dass Heike Franke so versiert über ihre Musikleidenschaft schreiben kann, hängt auch damit zusammen, dass sie neben ihrer Schriftstellerei als Altistin im Apollo-Chor an der Staatsoper Unter den Linden singt.

 

Detailierte Informationen über Heike Franke und ihre beiden Opernromane sind unter folgendem Link abrufbar:

 

Romane ~ Heike Franke (heike-franke.com)

 


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