Ein spektakulärer "Star Wars" Nabucco mit einem umwerfenden Luca Salsi und einer betörenden Anna Netrebko in der Arena di Verona

01. August 2025

Rubrik Oper

©Ennevi / Arena di Verona

Oper ist nichts für mich! Spätestens in der Arena di Verona wird so eine vernichtend niederschmetternde Aussage zu einer irrelevanten Posse, über die man nur laut und herzhaft lachen kann.

 

Denn, was sich einem auf der überdimensionierten Bühne des eindrucksvollen Amphitheaters an diesem lauen Sommerabend bietet, toppt alles, was sich in sämtlichen Opernhäusern der Welt tagtäglich so abspielt.

 

Von Nicole Hacke

 

In der Arena di Verona gerät man förmlich außer Rand und Band, wenn man der spektakulären Aufführung von Verdis epischem Meisterwerk "Nabucco" beiwohnt.

 

Nicht historisch, nicht statisch, nicht langatmig, sondern spannend, packend, modern, aufregend und so grandios wie der grandioseste SciFi-Klassiker "Star Wars" erlebt man als Zuschauer eine lichtintensive und laserscharfe Inszenierung, die auch mit Kostümopulenz nicht ein bisschen geizt.

 

Mitten in kriegerischen Auseinandersetzungen in einer kargen, kalten und unwirtlichen Planetenwelt verortet, kämpfen die verfeindeten Krieger in teils futuristische Kutten gekleidet um ihre Vormachtstellung. 

 

Über die Bühne wirbelnd und fegend, wird die gesamte Fläche, inklusive der Treppenaufgänge zum Schauplatz eines tödlichen Spiels, das über vier Akte verteilt, nicht eine Minute Langeweile aufkommen lässt.

 

Obgleich mir das Sujet dieser Oper nicht besonders liegt, kann ich mich dennoch wunderbar mit der futuristischen Welt anfreunden, die mit eindrucksvollen Spezialeffekten punktet. Dass da irgendwann im Laufe der Aufführung noch irgendetwas in die Luft gehen wird, kann man bereits in der szenischen Ausgestaltung der Ouvertüre eindrucksvoll erahnen.

 

©Ennevi / Arena di Verona

Da nämlich bauen ein paar Star Wars-Krieger eine Atombombe zusammen, die sie vorerst in der Versenkung verschwinden lassen. Doch wie so oft, brodelt es im Untergrund still vor sich hin, während auf der reizüberfluteten Oberfläche tobende Herrschaftsgewalten aufeinanderprallen und die Welt schier aus den Angeln gehoben scheint.

 

Zwei Installationen, die mit Leuchtröhren durchzogen sind, symbolisieren eine geteilte Welt, die sich wie zwei konträre Pole voneinander abstoßen. Inmitten der Bühne thront ein gigantischer Treppenaufgang über dem eine überdimensionierte Sanduhr schwebt, auf deren Korpus das Wort "Vanitas" prangt.

 

Die Vergänglichkeit von Reichtum und Ruhm sickert unaufhaltsam durch das Nadelöhr dieses Kollos, während die Wahrnehmung der verfeindeten Mächte eine andere Realität zu Tage fördert.

 

Grandios erscheint auch die Darstellung der Abigaille in ihren letzten Lebensmomenten, in denen sie eine Glaskugel in Händen hält.

 

Als ihre Lebensgeister im finalen Akt peu à peu aus ihrem Körper schwinden, entgleitet ihr die Kugel und zerbricht in tausend Einzelteile auf dem gläsern anmutenden Bühnenboden.

 

Durchzogen von Symbolismen, erfährt der Zuschauer so den Untergang einer alten, in sich zusammenbrechenden Welt, die mit der schwindenden Kraft machtlos gewordener Herrscher etwas Neues hervorbringt. Wie von Geisterhand bewegen sich kurz nach dem Ableben der Abigaille die beiden Installationen aufeinander zu und vereinen sich formschön zu der Welt, die sich Gesellschaften insgeheim als Idealzustand wünschen.

 

Zeitgemäß und mit einer philosophischen Dringlichkeit untermauert, erlebt sich dieser Nabucco sensationell tiefgründig, leicht verständlich und dennoch auf dem Höhepunkt der modernen Regieführung, dass man über so viel Progression in perfekter musiktheatralischer Symbiose nur staunen kann.

 

©Ennevi / Arena di Verona

©Ennevi / Arena di Verona

Diese Inszenierung ist ein Meisterwerk und vor allem ein spannungsgeladener Thriller. Magnetisch anziehend und höchst faszinierend, fesselt diese inszenatorisch großartig ausgestaltete Oper auch ein neues musikbegeistertes Publikum.

 

Schier vom Hocker haut es einen dann auch fast, als die im Untergrund brodelnde Atombombe mit lautem Getöse und einer gefährlich hochschießenden Stichflamme inmitten des Bühnengeschehens explodiert.

 

So realitätsnah, so intensiv und eruptiv kann Oper tatsächlich sein!

 

Ebenso eruptiv, leidenschaftlich und mit einer gehörigen Portion Temperament versehen, gestaltet sich auch die Darstellung des Nabucco, der vom italienischen Bariton Luca Salsi gegeben wird.

 

Schauspielerisch famos, jede Geste, jede Regung passgenau, mäandert die gaumenrunde Stimme des sonor klingenden Baritons "verdiesque" von Arie zu Arie. Magisch anziehend erlebt sich dieser Herrscher in einer Rolle, die ihm wie auf den Leib geschneidert scheint. In Fleisch und Blut übergegangen, dringt jeder Ton so wahrhaft, lebendig und vor Kraft strotzend aus den beseelten Untiefen dieser einzigartigen Stimme, die Verdi mit jeder tonalen Faser liebt und lebt und vor allen Dingen sehr zu ehren scheint.

 

Es sind genau diese bewegenden Momente, die dem kompositorischen Vermächtnis des großen italienischen Komponisten zu neuer Größe verhelfen. Große Gefühle zeigen sich auch in der sensibel gestalteten Interpretation des Gefangenenchores.

 

So wird "Va Pensiero" zu einem Rausch der Stimmen, die sich in elegant gesetzter Dynamik in Wellen von der Bühne auf das Publikum mal zart ergießen, mal heroisch aufbäumen, um sich dann in einem letzten Diminuendo feinsilbrig aufzulösen.

 

©Ennevi / Arena di Verona

Es ist so ein hauchzartes vokales Geflecht, das sich auf dem letzten Ton "legato-fein" in einem tonalen Rausch von Nichts so klangdicht und saturiert in die laue Sommernacht verabschiedet. Was für ein Effekt, was für eine Klangerlebnis, das mit der leisesten aller tonalen Verdichtungen so formvollendet spielt, dass einem wohlig warme Schauer angenehm über den Rücken laufen.

 

Samtig umfängt einen auch die Ausnahmestimme der großen Sopranistin Anna Netrebko, die als Abigaille eine Rolle verkörpert, in der sie wahrlich leibt und lebt. Diese Stimme, der man immerzu lauschen will, schafft es doch scheinbar jedes Mal Register wie akrobatische Salti Mortale durch die tonalen Lüfte zu nehmen. 

 

Es ist unglaublich, nicht möglich, wie die Sopranistin diese abrupten Registerwechsel aus der sicheren Mittellage in die halsbrecherischen Ober- und Spitzentöne meistert. Doch mit ihrer langen Stimme, einer überaus ausgeklügelten Gesangstechnik und einer stabilen inneren Ruhe erlebt man das Faszinosum ihrer Stimme, die absolut einzigartig und unverwechselbar ist.

 

Dass diese Frau auf der Bühne auch eine Zicke vor dem Herrn sein kann, macht Lust auf Ihr Schauspiel, das lasziv, divenhaft und auch sehr durchtrieben wirkt. Glaubhaft ist ihr Antrieb, Nabucco von seinem Thron zu stoßen. Herrlich die Art, wie sie sich ihn mit schlangenhafter Grazie erobert.

 

Francesco Meli, der als Ismaele, eine deutlich kleinere Rolle in diesem musikalischen Mammutwerk bekleidet, begeistert mit einem präsenten und angenehm satten Tenor. Zaccaria, der von Christian Van Horn gegeben wird, strahlt mit großer Ausdruckskraft, Verve und einer omnipräsenten Aura. Ganz klar liegt an diesem Abend auf der Hand, was es bedeutet, wenn nicht nur das Regietheater begeistert, sondern auch die Sänger-Cast ein stimmiges Gesamtbild abgibt.

 

Schließlich kann die richtige Auswahl der Sänger ein Garant für Erfolg sein. An diesem Abend war der Arena di Verona ein voller Erfolg sicher. Nein, diese Aufführung war ein absoluter Volltreffer, denn wirklich alles, absolut alles hat gestimmt.

 

Gala-Event mit Startenor Jonas Kaufmann in der Arena di Verona

©Gregor Hohenberg

Wer noch Lust hat, ein wenig länger in Verona zu verweilen, der kann am 03. August den Startenor Jonas Kaufmann in einer besonderen Gala-Nacht erleben. Zusammen mit der Sopranistin Marina Rebeka stellt der Ausnahmekünstler ein Repertoire vor, das sich von Wagner über Puccini erstreckt.

 

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