Turandot Einspielung mit Jonas Kaufmann und Antonio Pappano in Rom

11. März 2022

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Mal wieder ist es so weit für eine weitere CD-Veröffentlichung des Startenors Jonas Kaufmann, der just dieser Tage zusammen mit den Sopranistinnen Ermonela Jaho und Sondra Radvanovsky sowie weiteren Operngrößen, darunter Mattias Olivieri, Michael Spyres, Michele Pertusi, Gregory Bonfatti, und Siyabonga Maqungo ein Rundum-Sorglos-Paket in Form einer Gesamtaufnahme des Puccini Klassikers Turandot aufgenommen hat.

 

Unter der musikalischen Leitung des Briten Sir Antonio Pappano ist innerhalb von nur zwei Wochen dieses Mammutprojekt in der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom über die Bühne gegangen.

 

Während eines Gesprächs im Auditorium des Konzerthauses tauschen sich der Dirigent Antonio Pappano und der Tenor Jonas Kaufmann über die Bedeutsamkeit der letzten Oper Puccinis aus und thematisieren auch die Besonderheit dieses einzigartigen Verismo-Bonbons, das beinahe unvollendet geblieben wäre, hätte nicht Franco Alfano nach Puccinis Tod den letzten Akt nach dessen kompositorischen Skizzen und Aufzeichnungen so meisterhaft vollendet.

 

Was also das musikalische Alleinstellungsmerkmal der Oper Puccinis ist, erfahren wir in einem 10-minütigen Gespräch, das in italienischer Sprache von der Accademia Nazionale di Santa Cecilia als Videoaufzeichnung auf youtube zur Vergügung gestellt wurde.

 

©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Sir Antonio Pappano: Für mich, das Orchester und den Chor der Accademia Nazionale di Santa Cecilia ist Puccinis letztes Meisterwerk Turandot ein echtes Geschenk, da die gesamte Partitur ein musikalisch farbenprächtiges Kaleidoskop mit einer unglaublichen Atmosphäre ist.

 

Es werden musikalisch quasi alle emotionalen Temperaturen des menschlichen Wesens bedient. Ob Liebe oder Hass, man kann sagen Turandot dringt psychologisch in absolute Untiefen.

 

Hinzu kommt, dass wir eine Cast von Opernsänger zusammengestellt haben, die einfach hervorragende Künstler ihres Faches sind. Jonas Kaufmann singt den Calaf, Sondra Radvanovsky die Turandot und Ermonela Jaho und Michele Pertusi zeichnen sich in ihren jeweiligen Rollen als Liu und Timur aus.

 

Ja, es ist offensichtlich, dass die Partitur Puccinis noch nicht ausgereift war. Tatsächlich wurde sie von ihm nie finalisiert, denn Puccini erkrankte schwer an Kehlkopfkrebs und starb noch vor Beendigung des dritten Aktes.

 

Aber betrachten wir einmal das Finale der Oper ganz genau. Beim dritten Akt können wir feststellen, dass sie im Vergleich zum ersten Akt musikalisch komplett anders gestaltet ist. Was ich damit sagen will: Wir finden uns tatsächlich in einer anderen Oper wider.

 

Sir Atonio Pappano: Ob sie ein Happy End findet?

 

Ich weiß es nicht. Calaf jedenfalls sieht sich Turandot gegenüberstehen, die sich in ihrer Gefühlswelt komplett vor ihm verschließt. Calaf küsst sie. Aber Turandot erstarrt emotional und scheint mit sich einen inneren mentalen Kampf auszufechten.

 

©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

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Für die eigentliche Gesamtaufnahme haben wir uns dazu entschlossen, Alfanos erste ungekürzte Version des dritten Aktes zu inkludieren.

 

Alfano war der Komponist, der Puccinis Oper finalisiert hat, dessen sehr pompöser, bombastischer Schluss allerdings in der zweiten Version von Toscanini um ein Drittel gekürzt wurde.

 

Doch gerade die Psychologie in Alfanos ungekürzter Interpretation ist sehr besonders. Der innere Kampf der Turandot gegen die Liebe, gegen den Mann, den sie eigentlich liebt, wird kompositorisch klar konturiert herausgearbeitet und ist schon dicht dran am Verismo und absolut faszinierend.

 

Sir Antonio Pappano: Jonas, Du singst Deine Rolle in Turandot zum ersten Mal so wie ich Puccinis letzte Oper nun zum ersten Mal dirigiere. Die Titelpartie des Calaf ist doch ein Traum und nicht nur wegen seiner Arie Nessun Dorma?

 

©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

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Jonas Kaufmann: Das ist absolut wahr. Quasi jede Phrase, die ich in der Partie des Calaf singe, ist von ausgesprochener Schönheit, aber eben auch sehr schwierig zu singen.

 

Ich bin im Übrigen sehr froh darüber, dass wir die vollständige Version von Alfano eingespielt haben, auch wenn seine Version sich für damalige Verhältnisse nicht unbedingt logisch in das Gesamtwerk der Oper eingefügt hat.

 

Alfanos musikalische Textur war doch sehr fremd, sehr modern für Puccinis Zeitalter und weist doch starke Anklänge an die Musik Stravinskys und Mahlers auf.

 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts muss diese Interpretation für das Publikum schwer zu vereinnahmen gewesen sein. Genauso schwer war es wohl auch, Orchester und Dirigent davon zu überzeugen, diese Musik zu spielen.

 

©Screenshot Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Sir Antonio Pappano: Alfano hatte tatsächlich eine andere kompositorische Handschrift gehabt als Puccini, aber eben auch eine sehr dynamisch schwungvolle?

 

Jonas Kaufmann: Tatsächlich hebt sich die Musik Alfanos von Puccini sehr stark ab. Er bedient sich anderer Melodien und anderer Rhythmen.

 

Aber um noch mal auf den Kuss zurückzukommen: Da haben wir die Geschichte dieser Frau, der Prinzessin Turandot, von der man weiß, dass sie kaltherzig ist und ihre Erziehung ihr keine andere Wahl lässt, als zu herrschen, ihr Königreich zu schützen. Somit fehlen ihr, was die Liebe, was die Zärtlichkeit anbelangt, die tiefen Gefühle.

 

Erst als Calaf sein Leben in ihre Hände legt, es zu dem alles entscheidenden Kuss kommt, der geschlagene 16 und nicht eben nur 2 Sekunden dauert, wird sie weich und verletzlich.

 

Das ist für eine Liebesszene ein wirklich langer Kuss und nicht nur ein simples, kurzes Küsschen. Für diese Oper würde das aber auch einfach anders nicht funktionieren.

 

Noch zu Beginn des Stückes spürt man die blanke Gewalt in Turandot aufkeimen und sie reagiert schockiert darüber, dass Calaf sie bedrängt.

 

Doch als er sie berührt, verwandelt sie sich plötzlich in ein kleines Mädchen, das in seinen Armen dahin schmilzt. Und das ist einfach fantastisch.

 

©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Sir Antonio Pappano: Diese Partitur Puccinis ist wie ein Schnappschuss, quasi ein Abbild des beginnenden 19. Jahrhunderts. Jonas hat bereits über Mahler, Debussy und Strauss gesprochen - Stravinsky nicht zu vergessen.

 

Puccini hat all diese musikalischen Ideen seiner Zeit in sich aufgesogen, um einen Abriss dieser schöpferischen Periode zu kreieren.

 

Hinzu kommt, dass er dann noch fernöstliche Musikelemente in das Werk integriert hat, um eben die musikalische Geschichte der Turandot authentisch reproduzieren zu können.

 

Und wie er das gemacht hat, ganz besonders bei Nessun dorma...

 

Jonas Kaufmann: Sicherlich. Es gab ja viele Komponisten, die schöne Arien geschrieben haben. Aber obgleich die Melodie von Nessun dorma eine so einfache, schlichte Struktur aufweist, zieht sie die ganze Welt in ihren Bann und sorgt für pure Gänsehautmomente wie vielleicht keine andere vergleichbare Arie. Das ist absolut fantastisch.

 

Sir Antonio Pappano: Jonas, ich möchte mich bedanken, dass Du mit uns zusammen die Aufnahme hier in Rom in der Accademia Nazionale di Santa Cecilia eingespielt hast.

 

Erwähnen möchte ich auch, dass wir zusammen mit der Cast am 12. März 2022 auch in diesem wunderbaren Konzerthaus die Turandot konzertant vor Publikum aufführen werden.


©Accademia Nazionale di Santa Cecilia / über youtube zur Verfügung gestellt

Der Dirigent Antonio Pappano und der Münchner Tenor Jonas Kaufmann sprechen über das letzte Werk Puccinis, ein Meisterwerk, das durch zwei Komponisten seine musikalische Einzigartigkeit erlangt hat.

 

Das Interview ist in italienischer Sprache ohne Untertitel.


©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

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