Kein Fest der STimmen: Kristine Opolais gibt in der Kathedrale zu Kaunas ein laues Arienprogramm

08. Januar 2024

Rubrik Konzert

©Kristine Opolais - Stimmfest Kaunas

Wahrlich kein Fest der Stimmen, zumindest, was die Stimme der Sopranistin Kristine Opolais anbelangt. Obgleich das ariose Programm in der Kathedrale in Kaunas vielversprechend klingt, schwemmt es doch italienische Klangperlen an die Oberfläche der zweitgrößten Stadt Litauens, wird man als Zuhörer von der vokalen Präsenz der Sopranistin nicht wirklich mitgerissen.

 

Von Nicole Hacke

 

Hinreißend ist allenfalls ihr meerjungfrauenhaftes Abendkleid, das in einem pastelligen Blauton mit den changierenden Lichteffekten im Kirchenschiff des eindrucksvollen architektonischen Baus um die Wette strahlt.

 

Doch der Reihe nach: Unter dem Dirigat von Constantine Orbelian strömt zu aller erst Donizettis "Una furtiva lagrima" aus der Oper "L´elisir d´amor" in jeden Winkel der andachtsvollen Spielstätte, füllt das luftige Gewölbe vollends aus und umflort seine Zuhörer mit einem mehr als irisierenden Klangteppich, den Instrumentalisten des Kaunas City Symphony Orchestra sei dank.

 

Wenn irgendwer an diesem Abend Töne zärtlich balancieren kann, ohne auch nur einen davon zu verlieren oder gar fallen zu lassen, dann sind es die Musiker des für mein Verständnis unbekannten Orchesters.

 

Nachdem die melancholisch klagende Musik Donizettis ihren letzten Akkord ausgehaucht hat, tritt die lettische Sopranistin Kristine Opolais in einem wasserblauen Traum aus feinstem Geschmeide vor das Orchester.

 

Ein wenig verloren in ihre aufgebauschte Stola eingehüllt, stimmt sie die ersten Töne von Puccinis Arie "Si, mi chiamo Mimi" an. Sogleich fährt einen das unangenehm scheppernde Vibrato der Sopranistin durch Mark und Bein.

 

©Kristine Opolais - Stimmfest Kaunas

©Kristine Opolais - Stimmfest Kaunas

©Kristine Opolais - Stimmfest Kaunas

Noch nicht einmal in den oberen Registern angekommen, zeigt sich im Stimmmaterial der Lettin, dass jugendliche Frauenrollen nicht ganz ihr Fach sind.

 

Alt, hölzern und aufgeregt flackernd mäandert die Stimme nervös in zittrige Höhen, überspannt klingend mit jedem weiteren exponierten Ton. Bis zum Anschlag und nicht weiter. Gefährlich schlittern die Obertöne aus ihrer vokalen Umlaufbahn, drohen abzustürzen. 

 

Doch die Stimme hält mehr schlecht als recht. Opolais fehlt es an Schöngesang, an feinen, ausgeglichenen Legato-Linien. Eine Mimi ist sie jedenfalls nicht, was auch das gemeinsame Duett mit dem Tenor Liparit Avetisyan nicht ändern kann.

 

Ein minder starker Belcanto-Sänger, der zwar in den exponierten Höhen nicht gleich die Nerven verliert, aber dennoch vokal unausgeglichen und leicht überdreht klingt.

 

Zusammen bilden Opolais und Avetisyan eine Einheit mit einem stimmlich ähnlichen Klangniveau, was nicht bedeutet, dass der Zweiklang dadurch ästhetischer anmutet.

 

©Kristine Opolais - Stimmfest Kaunas

©Kristine Opolais - Stimmfest Kaunas

©Kristine Opolais - Stimmfest Kaunas

Begeisterung trägt in diesem Fall einen anderen Namen! Was Kristine Opolais an diesem Abend ansonsten noch zu bieten hat? 

 

Zur musikalischen Auswahl stehen jedenfalls noch folgende Arien an:

 

"Pace, pace, mio Dio" aus Verdis Oper "La forza del destino" und das "Lied an den Mond" aus Dvořáks Oper Rusalka - beides wunderschöne Arien, wenn man sie denn mit viel Gefühl und sinnlicher Hingabe darbieten kann.

 

Ernüchterung ist schließlich das, was sich in mir breit macht, als ich sowohl der einen als auch der anderen Arie konzentriert lausche und möglichst versuche, Vergleiche mit anderen "gleichwertigen" Interpretinnen zu vermeiden.

 

Es will mir nicht gelingen. Und so vergesse ich schnell, was ich gehört habe und widme mich den traditionellen litauischen Vokalergüssen, die eine Chorsängerin mit engelsgleicher Stimme darzubieten vermag.

 

"Hinter dem See brennen Feuer" ist die wohl entzückendste Volksweise, die von Reiko Füting arrangiert wurde.

 

Herrlich schmettert der Chor unisono genussvolle Klänge bis unter die hohen Decken des Kirchenschiffs, umflort mit Verve, leidenschaftlicher Strahlkraft und kristallklarem Vokalschliff.

 

Vergeben und vergessen sind die ariosen Geschmacksverirrungen, die mir an diesem Abend zuteil wurden. So möchte ich Operngesang nicht noch einmal erleben  - und wenn, dann nur, wenn Kristine Opolais ausschließlich Puccinis Manon Lescaut interpretiert. 

 

Das nämlich ist die Paraderolle für eine Opernsängerin, die hochdramatische Hysterie mit divenhafter Reife vereinen kann. Und genau das kann Opolais in formvollendeter Perfektion.

 

©Christine Opolais - Stimmfest Kaunas

©Christine Opolais - Stimmfest Kaunas

©Christine Opolais - Stimmfest Kaunas

BESETZUNG

 

Kristine Opolais

Liparit Avetisyan

 

Composer

Antonio Vivaldi

Giacomo Puccini

Gaetano Donizetti

Francesco Cilea

Antonín Dvořák

Wolfgang Amadeus Mozart

 

Music director

Constantine Orbelian

 

Orchestra

Kaunas City Symphony Orchestra

 

Choir

Kaunas State Choir

 


Kommentare: 0