Die Fledermaus an der Wiener Staatsoper mit grandioser Besetzung

02. Januar 2022

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Viele schöne Operetten gibt es. Doch die unangefochtene Königin aller Operetten, die sich just zum Jahreswechsel immer einen Stammplatz im Programm der großen Opernhäuser der Welt sichert, ist des Wiener Walzerkönigs komödiantische Fledermaus.


An der Wiener Staatsoper in einer bewährten, seit 2011 unveränderten Inszenierung des Regisseurs Otto Schenk, die auf ein nostalgisches Bühnenbild und opulent ausschmückende Requisiten setzt, erlebt sich 2021 ein intensiv prickelnder Musikgenuss mit exquisiten Sängerdarstellern in einer grandiosen Besetzung.


In überschwänglicher Champagnerlaune, in der die satanische Unterhaltungssucht der Protagonisten in einem Zusammenspiel von Sentimentalitäten, Frivolitäten  und einem lockeren Sittenverständnis verwechslungskomödiantisch zu einer großen Blamage führt, geben sich Sängergrößen wie Rachel-Willis Soerensen, Andreas Schager, Christina Bock sowie Vera-Lotte Boecker und Clemens Unterreiner musikalisch im alten Jahr noch die Ehre.

 

©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Dabei darf der österreichische Schauspieler Peter Simonischek nicht unerwähnt bleiben, der mit seiner wienerisch humorvollen Art den 3. Akt zum Leben erweckt und dabei mit politisch pointierten Spitzen für stimmungserhellende Lachsalven im Publikum sorgt.


Obgleich die ausgelassene Heiterkeit auf der Bühne über die extremen covidbedingten Einlassbeschränkungen des renommierten Hauses am Ring hinwegtäuscht, scheint sich der ewig gleichförmige Brass der letzten Wochen im Klangrausch der musikalisch überschäumenden Ouvertüre in absolutes Wohlgefallen aufzulösen.


Bertrand de Billy, der Meister am Taktstock, eröffnet mit betont rhythmischer Eleganz sein Dirigat und stürzt sich zusammen mit den Wiener Philharmonikern leidenschaftlich in das temporeiche Vorspiel, das den Zuhörer gleich mit dem Erklingen der ersten Tonfolgen auf überbordend haushohe Klangwellen in einen melodiösen Rauschzustand versetzt.


Versunken in diese beschwingt walzerselige Welt, die schillernde Ballroben, elitäre Gäste und soviel Wein, Weib und Gesang verspricht, dass einem davon beinahe schon schlecht werden kann, genieße ich vielleicht auch gerade um der ausgelassenen Feierlaune Willen, die orgiastisch übertriebene Stimmung.

 

©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Mit dem Auftritt des Zimmermädchens Adele gleich im ersten Akt wird die monotone Alltäglichkeit des gesitteten Haushaltes der „von Eisensteins“ sogleich von einer impulsiven Leichtigkeit überrannt.


Vera-Lotte Boecker schafft es mit ihrer vereinnahmend naiv kecken Spielart, den Zuschauer in ihre kleine, verträumte Welt zu entführen, in der die lockenden Abenteuer bereits Schlange stehen, um eines nach dem anderen von der zierlichen Sängerdarstellerin erlebt zu werden.


So rückt auch der Ball, auf den Adeles Schwester Ida geladen ist, in greifbare Nähe - eine einmalige Chance auch für Adele endlich ihrem Zimmermädchendasein ein für alle Mal zu entkommen.


Und so entflieht Adele im „Täubchen, das entflattert ist“ schwelgerisch ihrem arbeitsamen Gefängnis, um sich zumindest in ihrer Fantasie auf dem Ball des Prinzen Orlofsky zu wähnen.

 

©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Stimmlich solide wirken die Koloraturen der zarten Persönlichkeit zu Beginn noch etwas ungelenk, holprig und abgesetzt. Entgegen der schauspielerischen Leichtigkeit wirkt der bezeichnende Schöngesang minimal schwerfällig und entbehrt einer gesangstechnischen Raffinesse, mit der die Töne hätten in fließenden Legatobögen wattebauschluftig davonfliegen können.


Ungeahnt konturenreich hingegen erlebt man den Prinzen Orlofsky alias Christina Bock in einer absoluten Glanzrolle.

 

Gesang, schauspielerisches Vermögen und das grandiose Talent, den russischen Akzent in Perfektion zu imitieren, runden die Charakterrolle des jovialen Gastgebers vollends ab.


„Ich lade gern mir Gäste ein“ singt die vokal hell eingefärbte Mezzosopranistin mit ausdrucksstarker Tiefe überzeugend vereinnahmend, sodass man ihr die generöse Art und den saloppen Tonfall gestisch, mimisch und gesanglich zweifelsfrei abnimmt.


„Im Feuerstrom der Reben“ bricht sich dann das geballte Temperament Bocks aber erst so richtig Bahn, was man von der amerikanischen Sopranistin Rachel-Willis Soerensen gleichermaßen behaupten kann.

 

©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Extrem präsent, ein „Bühnentier“ par excellence, das mit vollem Einsatz spielt und als Gabriel von Eisensteins Gattin Rosalinde auf ganzer Linie gewinnt, besticht die charismatische Sängerin mit einer stimmlich technischen Versiertheit, die auf einer perfekten Intonation, einer punktgenauen Phrasierung und einer überaus geschliffen feinen Vokalbrillanz aufbaut.


Ihre dunkelsamtigen Tiefen kokettieren dabei im Wechselspiel mit den glockenhellen, schillernden Tonhöhen, in denen sie zudem mit müheloser Koloraturakrobatik punktet. Dabei kommen leidenschaftliche Hingabe und ihr lodernd heißes Temperament nicht zu kurz. Die ungarische Gräfin in „Klänge der Heimat“ gibt Sörensen jedenfalls so emotional aufrührend, dass man von der gesanglich übersprudelnden Strahlkraft der Sängerdarstellerin magisch angezogen wird.


Als Gabriel von Eisenstein macht Andreas Schager die Damenwelt unsicher. Schwerenöter und Frauenversteher zugleich hält es der Mann von Welt nicht so sehr mit der Treue. Zumindest wagt er es, auf dem Ball des Prinzen Orlofsky mit einem ungarischen Frauenherz anzubändeln.


Das Spiel mit dem Feuer nimmt seinen Lauf und mittendrin der inkognito unter falschem Namen anwesende Marquis Renard.

 

©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Andreas Schager, der tenoral immer eine Nuance zu laut, zu scheppernd, aber eigentlich die Idealbesetzung für die Rolle des Gabriel von Eisenstein ist, da er sich selbst im Eifer des Frauengefechts doch nie zu ernst nimmt, sprüht vor Witz und charismatischem Wiener Schmäh.

 

Die Operette steht ihm gut, die Rolle kleidet ihn wie maßgeschneidert und auch das Laute klingt im Laufe der dreiaktigen Musikkomödie erheiternd, spritzig und erhebend.

 

Leicht blässlich und von wenig ausgereifter Klangfarbe hingegen zieht Dr. Falke alias Clemens Unterreiner in die Schlacht der feierlustigen besseren Gesellschaft. Mit "Brüderlein und Schwesterlein" gelingt dann aber ein gesanglich innigster Belcanto, der in nahezu schwelgerischer Melancholie ausufert.

 

Eine dichte Orchestrierung, melodiöse Klangteppiche von ästhetischer Reinheit, ein szenisch kokett ausgestalteter Handlungsrahmen sowie gesangliche Eleganz auf höchst ariosem Niveau machen die Fledermaus an diesem Abend zu einem prickelnden, sprudelnden und feinperligen Musikereignis.

 

Und der Champagner hat´s verschuldet, dem Walzerkönig Johann Strauß sei Dank!


©Die Fledermaus Wiener Staatsoper / über youtube zur Verfügung gestellt

Mehr wissenswerte Einblicke in die musikalisch vielschichtige Operette des Walzerkönigs Johann Strauß gibt der Dirigent Bertrand de Billy im Interview.

 

©Die Fledermaus Wiener Staatsoper / über youtube zur Verfügung gestellt

Die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann in der Rolle der liebreizenden Adele. Die Unschuld vom Lande spielt sie nicht nur ausgezeichnet, sie singt sie auch koloratursicher und mit ausgefeilter stimmlicher Nuancierung.


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