Seitenwechsel: Jonas Kaufmann wird Intendant der Tiroler Festspiele ERl

05. Juni 2023

Rubrik Oper

©Nicole Hacke / Operaversum Magazin

Was hat der Mann mit der goldenen Kehle denn nun schon wieder ausgeheckt? Doch nicht etwa einen Seitenwechsel? Seit eh und je auf den großen Bühnen der Welt zugegen, hat sich der Startenor Jonas Kaufmann überraschenderweise dazu entschlossen, ab September 2024 als Intendant der Tiroler Festspiele Erl internationales Flair in den österreichischen Erholungsort am Wilden Kaiser zu bringen.

 

Gegen 42 Kandidaten konnte sich der charismatische Sänger mit der unverwechselbar eingedunkelten Tenorstimme konzeptionell überzeugend durchsetzen.

 

Auch der Festspiel-Präsident Hans Peter Haselsteiner, der am letzten Freitag in einer Pressekonferenz frohgemut mit Kaufmann in die musikalische Zukunft des Festspielortes Erl blickt, betonte mit Entschlossenheit und Nachdrücklichkeit, man hätte sich sicherlich nicht primär für den "Star" Jonas Kaufmann als vermeintliches Aushängeschild, sondern in erster Linie für dessen überzeugendes Konzept und den entsprechenden authentischen Enthusiasmus begeistert.

 

Auch Jonas Kaufmann strahlte sichtlich entspannt und wirkte äußerst zuversichtlich, den Tiroler Festspielen in Erl zu einer deutlich internationaleren Ausrichtung verhelfen zu können. Seinen Sängerberuf, auch das betonte er mit Vehemenz, würde er selbstverständlich noch längst nicht an den Nagel hängen wollen. Nur kürzertreten, um auch seine neue Rolle perfekt bedienen zu können, das läge in logischer Schlussfolge relativ nah.

 

Dass nun viele eingefleischte Kaufmann-Fans und eine passionierte Followerschaft des charismatischen Opernsängers ein wenig enttäuscht und desillusioniert sein werden, liegt offensichtlich auf der Hand. Was fängt man denn schließlich mit einem nicht-singenden Kaufmann hinter der Bühne als drahtziehender Festspielgarant an?

 

Nun, dass der Mann, der immer noch als weltbester Vertreter seiner singenden Zunft gehandelt wird, ein absolutes Multitalent auf vielerlei Gebieten ist, das wussten wir nun schon etwas länger. Handwerklich begabt, ein Tausendsassa auch im genreübergreifenden Spagat:

 

Jonas Kaufmann hat gerade in den letzten Jahren keine Gelegenheit ausgelassen, um seinen Fans zu beweisen, dass er das Wiener Lied genauso souverän interpretieren kann wie Turandots: Nessun dorma. Athletische Leidenschaft für die Gesangsakrobatik gepaart mit vielseitigem, manchmal vielleicht viel zu viel experimentellem Esprit.

 

Doch wer kann, der kann! 

 

Auf vielen Hochzeiten tanzend, zeigt der Kammersänger endlich auch seine strategisch-konzeptionellen Manager-Qualitäten, die ihm in Verbindung mit seinem exzellenten Netzwerk an Künstlerkontakten ganz sicher ein erfolgversprechendes Standbein in der Intendanz garantieren werden.

 

Warum sonst holt man sich einen Sänger ins Festspielhaus, wenn der überwiegend nur aus dem organisatorischen Hinterhalt die Fäden zieht?

 

Aber ganz so wird es lt. Aussage des deutsch-österreichischen Sängers nicht laufen: Ein paar bühnenpräsente Einlagen, musikalische Schmankerln wird Jonas Kaufmann auch in Erl zum Besten geben. Ob hinter, vor oder auf der Bühne. Ein Rundum-Sorglos-Paket, zumindest, was den Festspielsommer in Erl anbelangt, wird man sich höchstwahrscheinlich sogar von einem weltbesten Sängerinterpreten erwarten wollen.

 

Nicht zur Ruhe setzend, aber dann doch etwas gesetzter und entspannter sieht Jonas Kaufmann sein aktiv-passiv künstlerisches Schaffen.

 

Die neue Aufgabe, die er bis 2030 zu füllen weiß, scheint den Tenor mit Freude regelrecht zu beflügeln. Ambitionierte Herausforderungen liegen dem plietschen Charakterhelden eben besonders gut.

 

Je weiter das Feld, desto besser!

 

Fest steht, die klassische Musikbranche braucht anpackende Menschen wie eben einen Jonas Kaufmann, auch wenn es gewöhnungsbedürftig erscheint, dass dieses Mal ein Sänger Konzernstrukturen statt Auditorien mit seiner sonoren Stimme durchdringen wird.

 

Frischen Wind wird der 53-Jährige auf jeden Fall in das Festspielhaus in Erl bringen, wissen wir doch, dass Nachwuchsförderung und der Wunsch, viel mehr Menschen als nur die eingefleischten Operngänger für das Genre der klassischen Musik zu begeistern, noch auf der To-to-Liste des Tenores stehen.

 

Ist es seine Pflicht, der Oper auf die Sprünge zu helfen?

 

Es ist wohl eher die Leidenschaft, die einen Jonas Kaufmann antreibt, dieses Anliegen, das auch viele Opernhäuser ständig umtreibt, zu seinem ganz persönlichen Thema zu machen.

 

Und dabei spiele auch das Regietheater eine entscheidende Rolle, das zukünftig eine optimierte Herangehensweise zum Werkgedanken der jeweiligen Komponisten finden solle, so Kaufmann.

 

Ach, wie werden die internationalen Bühnen um einen fantastischen Sängerdarsteller leerer werden, wenn doch der Kaufmann nicht mehr so aktiv auf den Brettern der Welt seine Arien ins Publikum trällert. Dass aber die Gemeinde Erl frohlockt, einen solch kapitalen Goldfisch an die Angel zu bekommen - ein wirklich gewinnbringender Fang - ist ihr kaum zu verdenken.

 

Denn wo ein Kaufmann draufsteht, ist auch ein Kaufmann drin - mit allem Drum und Dran. Bisher war das immer so und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das auch in Erl so sein.


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